Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
verzichten könne. Das Geschenk, die lebhafte Tochter des Prinzen zur Frau zu bekommen, sei völlig ausreichend. Der Graf konnte es kaum erwarten, eine junge und fruchtbare Frau zu ehelichen, sodass er sich überdies bereiterklärte, einige Werst Land zu kaufen, das an den Besitz des Prinzen grenzte, um sie diesem zu schenken, zusammen mit den etwas mehr als hundert Seelen, die sie bewirtschafteten. Wodurch der schwindende Olonow’sche Grundbesitz wieder aufgestockt würde.
Als der Prinz die Angelegenheit mit seiner Frau besprach, stimmte sie sofort zu. Antoninas Mutter konnte es nicht erwarten, ihre Tochter zu verheiraten. Deren Launen und widerspenstiges Wesen kümmerten sie herzlich wenig; schließlich war sie zu selten da, um mitzuerleben, was ihre Tochter anstellte. Ihre Beweggründe waren ganz anderer Natur: Auch wenn das Mädchen im konventionellen Sinn keine Schönheit war, war sie nicht ohne einen gewissen Reiz, und sie befürchtete, dass man unwillkürlich Vergleiche ziehen würde – zwischen ihrer eigenen verwelkenden Schönheit, die ihre besten Jahre hinter sich hatte, und jener, die gerade erst am Erblühen war. Aus diesem Grund hatte sie während der vergangenen zwei Jahre zu verhindern gewusst, dass ihre Tochter neben ihr stand, wenn sie in Sankt Petersburg oder auf dem Landgut Gäste begrüßte.
Dem unglücklichen Zusammentreffen dieser beider Umstände – Prinz Olonows finanzielle Schwierigkeiten und die selbstsüchtigen Ängste seiner Frau – verdankte Antonina die Besiegelung ihres Schicksals.
VIERZEHN
A ntonina indes fügte sich nicht stillschweigend in ihr Schicksal. Sie beklagte sich bei ihrer Mutter, flehte ihren Vater an und drohte damit wegzulaufen. Alle drei wussten jedoch, dass es sich um leere Drohungen handelte; wohin hätte sie denn gehen sollen? Und doch bot sie ihre ganze verbale Überzeugungskraft auf, um ihre Eltern davon zu überzeugen, dass sie Graf Mitlowski keinesfalls heiraten konnte. Aber es war umsonst; sowohl der Prinz als auch die Prinzessin wussten, dass diese Heirat ihre einzige Möglichkeit war, den gewohnten Lebensstil fortzuführen.
Im Übrigen, sagten sie sich, drohte Antonina das Schicksal einer alten Jungfer, sobald sie auf die zwanzig zuginge, was in zwei Jahren bereits der Fall sein würde. Und sie zu einem Leben als unverheiratete Tochter im Haus ihrer Eltern oder als unverheiratete Schwester bei einem ihrer Brüder zu verdammen wäre ein grausames Schicksal, das keine Frau sich wünschen konnte. In seltener Eintracht beschwichtigten sie sich gegenseitig, dass sie ja nur das Beste für ihre Tochter wollten, und schüttelten den Kopf angesichts von Antoninas Undankbarkeit.
Die Hochzeit sollte in Pskow stattfinden. Auf Wunsch des Grafen Mitlowski würde die Zeremonie in der großen pittoresken Dreifaltigkeitskathedrale innerhalb der Mauern der mittelalterlichen Festung abgehalten werden. Pskow war mit der Kutsche in nur drei Stunden von seinem Gut Polnokowe zu erreichen, und es widerstrebte ihm, in das dreihundert Kilometer entfernte Sankt Petersburg zu reisen, wo, wenn es nach den Wünschen der Prinzessin gegangen wäre, die Hochzeit eigentlich hätte stattfinden sollen. Sie wollte, dass alle Mitglieder der guten Gesellschaft von Sankt Petersburg sahen, wie ihre Tochter den wohlhabenden Grafen Mitlowski heiratete, gab jedoch ihrem Mann recht, dass man sich den Wünschen des Grafen nicht widersetzen durfte. Beide wussten, dass ihre widerspenstige Tochter kein zweites Mal auf eine so vorteilhafte Partie hoffen durfte.
Zwei Tage vor der Hochzeit vergoss Antonina während der letzten Anprobe ein Glas Bordeaux über dem Hochzeitskleid, eine kostspielige Kreation ihrer Mutter, genäht von der angesehensten Schneiderin, mit der Pskow aufwarten konnte.
Die rubinrote Flüssigkeit färbte die gesamte Vorderseite des Brautkleids, vom Mieder bis zum Saum, und der Schaden war nicht wiedergutzumachen. Warum die junge Frau das Glas mit dem Rotwein während der Anprobe in der Hand gehalten hatte, war der Schneiderin ein Rätsel; wie ungeschickt von ihr, gleich ein volles Glas auszuschütten!
Prinzessin Olonowa stieß einen Wutschrei aus und schlug Antonina ins Gesicht. Die Gehilfinnen der Schneiderin standen mit schockierten Mienen da. Allerdings wussten sie selbst nicht so recht, was sie mehr entsetzte: das ruinierte Kleid, an dem sie mehr als zwei Monate lang gearbeitet und auf dessen Rock und Schleppe sie Tausende von Saatperlen genäht hatten, oder das Betragen
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