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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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dass Gott sie irgendwie bestrafen würde. Taub, als hätte sie Watte in den Ohren, verfolgte sie, was als Nächstes geschah. Selbst als ihr Vater beim Auspeitschen seinen Schmerz hinausbrüllte und ihre Mutter und Ljoscha vor Angst schrien, konnte sie nichts hören.
    In ihrem neuen Heim in dem Weiler, der zum Gut Polnokowe gehörte, kümmerte sich Lilja um Ljoscha so wie schon in Kaschra. Nachts schlief sie neben ihm, und wenn sie spürte, dass er unruhig wurde, ging sie mit ihm zu dem Kübel neben der Tür und stützte ihn, während er sich erleichterte. Einmal wurde sie nachts nicht rechtzeitig wach, und er benässte das Lager aus alten Decken, auf dem sie beide schliefen. Als sich der scharfe Uringeruch in der niedrigen Hütte ausbreitete, verpasste ihr Mascha eine kräftige Ohrfeige.
    Morgens wusch sie ihrem kleinen Bruder das Gesicht und glättete ihm mit feuchten Händen das Haar. Abends vor dem Schlafengehen machte sie warme Umschläge für ihn, die sie ihm auf die Brust legte, um seinen Husten zu lindern. Sie besserte seine Kleidung aus und kümmerte sich darum, dass er andere Sachen bekam, wenn ihm die alten zu klein wurden oder vollends zerfielen. Immer wenn die Lieferung der monatlichen Wohltätigkeitskleidersammlung angekündigt wurde, stand sie in aller Herrgottsfrühe auf und begab sich eingehüllt in sämtliche Schals, die sie besaß, zitternd zur Kirche, um als eine der Ersten etwas einigermaßen Passendes aus den Körben mit den Wintersachen herauszufischen – aussortierte Stiefel und Socken und Mäntel, die die Grundbesitzer den Dorfbewohnern überließen.
    Im Grunde war Liljas neues Leben ähnlich wie das, das sie in Kaschra geführt hatte. Osip und Mascha waren zwar nicht grausam, aber abgestumpft. Genau wie Liljas Eltern hatte die Plackerei von Kindesbeinen an sie ausgelaugt, dieses Leben, das ihnen als einzigen Lohn für die ganze Mühsal ein besseres Leben nach dem Tode verhieß.
    In jenen ersten Wintermonaten, als das Land unter einer dicken weißen Schneedecke begraben dalag, schnitzte Osip Holzlöffel, während der zuckrige, modrige Geruch seines billigen Pfeifentabaks die Hütte erfüllte. Mascha indes stellte delikate Schiffchenspitze her und brachte auch Lilja diese Technik bei. Es dauerte nicht lang, und Lilja überflügelte sie, sowohl was ihre Flinkheit als auch ihre Geschicklichkeit mit dem Schiffchen betraf. Einige Spitzenborten schenkten die beiden Frauen der Kirche zur Verzierung von Priestergewändern; aufwendigere Arbeiten wurden zusammen mit Osips Holzlöffeln auf dem Wochenmarkt im nächst größeren Dorf verkauft.
    Im Frühling standen sie bei Tagesanbruch auf und gingen aufs Feld, um Weizen und Mais, Sonnenblumen, Zuckerrüben und Flachs auszusäen. Wie alle Kinder, die zu groß waren, um getragen zu werden, aber noch zu klein, um zu arbeiten, lief Ljoscha Lilja reihauf, reihab hinterher. Erst wenn es dunkel wurde, kehrten sie nach Hause zurück, um ein einfaches Abendessen zuzubereiten, bei dem kaum gesprochen wurde.
    Während ihres ersten Sommers stellte Iosif Igorewitsch, genannt Soso, einen Antrag beim Gutsbesitzer, Lilja Petrowna heiraten zu dürfen. Seine erste Frau war ein griesgrämiges, arbeitsscheues Ding gewesen und nach vier Jahren Ehe und ebenso vielen Fehlgeburten gestorben. Zehn Monate nachdem sie dem Typhus erlegen war, beschloss er, dass er wieder eine Frau wollte, die ihm die Mahlzeiten kochte und nachts das Bett wärmte. Da es in dem kleinen Dorf keine weiteren unverheirateten Frauen gab, warf er gleich nach ihrer Ankunft ein Auge auf Lilja und überzeugte sich davon, dass sie hart arbeiten konnte. Als er erfuhr, dass der Junge, der ihr nicht von der Seite wich, ihr Bruder war, gefiel ihm zwar der Gedanke nicht, ein weiteres hungriges Maul zu füttern, aber er konnte es sich nicht leisten, wählerisch zu sein.
    Als sein Antrag bewilligt wurde, kam er an die Tür ihrer Hütte und sagte Osip, dass er nach der Ernte das Mädchen heiraten würde, das bei ihnen lebte.
    » Dann musst du auch den Jungen nehmen « , sagte Osip.
    Soso spähte in die schummrige Hütte. Lilja unterbrach ihre Arbeit – sie schnitt gerade Karotten klein – und starrte ihn an. Der Junge kniete unter dem Tisch.
    » Gut « , sagte er. Osip streckte die Hand aus, und Soso schlug ein.
    Lilja musterte Soso. Er war groß und breitbrüstig, und sein zotteliges dunkles Haar, ein unvorteilhafter Topfhaarschnitt, lugte unter seiner Schirmmütze hervor. Aber immerhin war seine Kleidung sauberer

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