Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
ihren Duft einatmen konnte. Sie benutzte offenbar noch immer Rosenöl.
» Was ist denn mit deinen Kindern geschehen? « , fragte Antonina, nachdem sie sich gesetzt hatte.
Lilja atmete tief ein. » Ich hatte zwei Mädchen. Zwillinge. Sie sind gestorben – das eine mit zwei Monaten, das andere drei Wochen später. «
» Ich wusste nicht … «
» Woher sollten Sie das wissen? Das zweite – sein Name war Klara, das andere hieß Lena – starb nur wenige Wochen, bevor wir uns begegnet sind, bei der Weizenernte. «
» Möge Gott ihrer Seelen gnädig sein « , murmelte Antonina und bekreuzigte sich. » Aber bestimmt wirst du weitere Kinder bekommen. «
Liljas Augen wurden merkwürdig ausdruckslos. » Es wäre mir eine Ehre, die Kinderfrau des Kindes zu sein, das Sie unter dem Herzen tragen. Aber nur unter einer Bedingung. « Als ihr bewusst wurde, in welchem Ton sie zu der Frau sprach, die mit ihrem Besitzer verheiratet war, schwankte ihre Stimme.
Antonina schien sich jedoch nicht daran zu stören. » Und die wäre? «
Einen Moment lang schwieg Lilja. Warum belohnte Gott sie so reich? Hatte sie dieses Glück verdient?
» Geht es um deinen Mann? « , fragte Antonina. » Aber natürlich sollt ihr nicht getrennt werden. Ich werde den Verwalter bitten, ihm eine Arbeit in den Stallungen oder dem Vorratslager zu geben. Und natürlich bekommt ihr auch ein eigenes Zimmer im Bedienstetentrakt für verheiratete Paare. «
Erneut nahm Lilja einen tiefen Atemzug. » Ach ja, Soso « , sagte sie, als erinnerte sie sich erst jetzt wieder an ihn. » Ja, natürlich wäre er froh über eine bessere Arbeit. Aber ich mache mir Sorgen um Ljoscha, Gräfin. « Sie sah den Jungen an. » Ich werde ihn nicht allein im Dorf zurücklassen. Für ihn bin ich seine Mutter. «
Ach ja, wie hatte sie das vergessen können? Ein bohrendes Schuldgefühl durchfuhr sie. » Natürlich wirst du ihn mitnehmen. Er gehört doch zu deiner Familie. Wie alt ist er jetzt? «
» Acht. Er lernt schnell. Er ist ein guter, sanfter Junge. « Lilja sagte das so stolz, als wäre sie tatsächlich seine Mutter.
» Arbeitet er denn schon auf dem Feld? «
Lilja nickte. » Aber … « – sie atmete tief ein, ehe sie weitersprach – » er liebt Pferde, Gräfin. «
Antonina sah den Jungen an. Er erwiderte wortlos ihren Blick.
» Dann werde ich dafür sorgen, dass er als Stalljunge arbeiten kann – beim Ausmisten helfen, Sattelzeug putzen und solche Dinge. Wenn er älter ist, wird sich eine anspruchsvollere Tätigkeit für ihn finden, wenn er so klug ist, wie du sagst. «
» Und er wird bei mir …? «
» Bei dir und Soso. Ljoscha? « Sie wandte sich direkt an den Jungen. » Würde dir das gefallen, im Pferdestall mitzuhelfen? «
Der Junge verbeugte sich erneut. » Ja, Gräfin. «
» Dann ist es beschlossen « , sagte Antonina zu Lilja. » Er wird mit dir kommen. «
» Sind Sie sicher, dass Ihr Mann einverstanden ist? «
Antonina zuckte die Schultern, dann lächelte sie unvermittelt, sodass sie Lilja wieder an das Mädchen aus dem Wald erinnerte. » Ich bin die Gräfin. Auf bestimmten Gebieten kann ich tun, was mir beliebt. « Sie würde sich genau zurechtlegen, was sie sagen würde, wenn Konstantin wissen wollte, warum sie eine Frau aus dem Dorf eingestellt hatte und darauf bestand, dass deren Mann und kleiner Bruder Arbeit auf dem Gut bekamen.
Lilja schlang die dünnen Arme um ihren Oberkörper und lächelte ebenfalls. » Ein Traum wird für mich wahr, Tosja. Wirklich. Ljoscha, kannst du glauben, was für ein Glück wir haben? «
Als Antonina hörte, wie selbstverständlich Lilja ihren Kosenamen benutzte, durchrieselte sie Freude. Sie hatte ihre Freundin wiedergefunden und im selben Atemzug eine Möglichkeit wiedergutzumachen, was sie Lilja und ihrem kleinen Bruder angetan hatte.
Einen Monat später zogen Lilja, Soso und Ljoscha in das Dienstbotenquartier. Soso bekam eine Stelle im Lager, wo sämtliche Lebensmittelvorräte für das Gut aufbewahrt wurden. Und Ljoscha wurde, wie von Antonina versprochen, Stallbursche, einer der jüngsten in den Pferdeställen.
Zwar wurde das Kind erst in zwei Monaten erwartet, aber Antonina wollte, dass Lilja so viel Zeit wie möglich mit ihr verbrachte. Bald plauderten und lachten die beiden jungen Frauen so ungezwungen miteinander, wie sie es vor fast fünf Jahren getan hatten.
Antonina gefiel es so gut, Lilja an ihrer Seite zu haben, dass sie die junge Frau gleich zu ihrem Kammermädchen beförderte und Warwara eine
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