Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
geht ihm zusehends schlechter; die Wunde an seiner Hand fault, und er murmelt im Delirium vor sich hin oder stößt laute Rufe aus.
Antonina sitzt einige Nächte lang an seinem Bett und sieht zu, wie er von Schüttelfrost gepackt wird und dann wieder still daliegt, heftig schnaufend, als wäre er mehrere Werst gerannt. Hin und wieder stöhnt er. Pawel kümmert sich rührend um ihn, wäscht ihn alle paar Stunden mit feuchten Tüchern.
Obwohl es scheint, als sei alles Leben aus ihm gewichen, presst Konstantin die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, sobald Pawel ihm einen Löffel oder eine Tasse an den Mund hält. Es ist, als wären seine Lippen mit feinster blauer Seide zugenäht.
Als der Arzt die Fäden an Konstantins Hand zieht, schüttelt er den Kopf. » Ich fürchte, sein Zustand ist äußerst kritisch, Gräfin Mitlowskaja. Hat er immer noch kein Wasser gelassen? «
Antonina verneint.
» Bald werden seine Nieren versagen. Wir müssen ihm alle paar Stunden Wodka mit Milch einflößen. «
» Aber er weigert sich, etwas zu sich zu nehmen. «
» Dann versuche ich es. Also, Wodka mit Milch, Chinin und auch Eisenchloridtinktur « , sagt er. Er wendet den Blick von ihrer starren Miene ab und beginnt, in seiner Tasche zu wühlen, um dann ein paar kleine Flaschen und Ampullen zum Vorschein zu bringen.
» Und wenn das alles nichts hilft? «
Konstantins Hand ist jetzt noch mehr geschwollen, die Haut um die Verletzung herum ist grau; von der Wunde ausgehend ziehen sich violette und pflaumenfarbene Streifen über sein Handgelenk und seinen Unterarm. Sie starrt darauf, ohne zu wissen, was sie bedeuten: dass sich das Gift einen Weg in den Körper ihres Mannes bahnt.
Mein Sohn. Bekommt er zu essen? Hat er es warm? Ruft er im Schlaf nach mir?
Der Arzt folgt ihrem Blick. » Es gibt keine Möglichkeit, die Infektion zu stoppen, außer … « Er unterbricht sich. » Aber es ist noch nicht so weit. Erst werden wir versuchen, ihn dazu zu bringen, die Medizin zu schlucken. « Er blickt zu Olga hinüber, die mit einer Schüssel heißem Wasser ins Zimmer kommt. » Wo ist der Priester? « , fragt er, und die alte Frau keucht erschrocken auf.
Zwar versteht sie nichts von dem medizinischen Zeug, das der Doktor von sich gibt, aber was die Anwesenheit eines Geistlichen zu bedeuten hat, weiß sie sehr wohl.
» Ist schon gut, Olga « , sagt Antonina. » Schick nach Pater Kirill. «
Als sie hinausgeht, murmelt Olga: » Die Gebete des Pfarrers werden den Herrn bestimmt heilen. « Ihre Augen huschen in die Richtung des Arztes, der einen langen, dünnen Schlauch in der Hand hält. » Auf Gebete kann man sich immer verlassen « , fügt sie hinzu und bedenkt ihn mit einem vielsagenden Blick.
Antonina entschuldigt sich nicht für das dreiste Verhalten der Dienstbotin.
Wie sich herausstellt, zeigen Chinin und Eisenchlorid keine Wirkung. Als Nächstes fördert Dr. Molow ein Glas mit Maden aus seiner Tasche. » Manchmal hilft es « , sagt er zu Antonina. » Ich werde sie in die offene Wunde setzen. Sie fressen nur das abgestorbene Fleisch und lassen das gesunde unberührt. Vielleicht können sie die Ausbreitung der Infektion verhindern. Aber Sie sollten wissen, dass es der letzte Versuch ist. «
Antonina wendet den Blick von den wimmelnden weißen Larven ab. » Der letzte Versuch, bevor was geschieht? Wenn die Methode mit den Larven nicht fruchtet, was dann? «
» Gräfin Mitlowskaja « , sagt Dr. Molow, » Ihr Mann hat Wundbrand. Wenn die Maden nicht helfen, gibt es nur noch eine Möglichkeit, um zu versuchen, das Leben des Grafen zu retten. «
» Ja? « , sagt sie, doch der Arzt hat das Gefühl, dass es sie nicht besonders interessiert.
» Eine Amputation, um zu verhindern, dass die Infektion noch weiter in den Körper vordringt. Morgen werden wir sehen, ob die Maden etwas ausrichten konnten. «
Zwei Tage später findet die Amputation statt.
Konstantin wirft sich unentwegt hin und her, und im Zimmer herrscht ein noch stärkerer Fäulnisgestank. Dr. Molow hat eine Holzschatulle mit Werkzeugen geöffnet: Verschiedene Zangen und Messer, aber auch eine kleine Säge mit einem Ebenholzgriff liegen darin.
» Ich werde den Grafen jetzt mit Chloroform betäuben « , sagt Dr. Molow. » Die Dämpfe lähmen das Nervensystem. Allerdings ist es schwierig, die richtige Dosierung zu erreichen. Zu wenig und der Patient spürt noch Schmerzen. Zu viel wiederum kann … nun, wie ich sagte, die richtige Balance zu finden, ist sehr heikel. Um
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