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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Das ist mehr als gemein.«
    Joan zuckte mit den Schultern. »Jetzt tut mal nicht so, als würdet ihr Esperanza ernsthaft bedauern. Seit Wochen ist sie uns allen mit ihrem Geschwätz über New York und das neue, tolle Leben, das sie dort erwartet, auf die Nerven gegangen. Habt ihr vergessen, wie abfällig sie uns behandelt und sich selbst schon als Millionärin mit einer Villa am Strand gesehen hat? Dass aus dieser großen Karriere nun nichts wird, ist vielleicht nur die Strafe für ihre Arroganz. Vielleicht bringt das Esperanza zur Besinnung, künftig weniger verächtlich auf Kolleginnen, die nicht so gut sind wie sie, herabzuschauen.«
    Widerwillig musste Susan Joan zustimmen, wenngleich sie selbst nie solch harte Worte ausgesprochen hätte, aber im Kern lag Joan nicht falsch. Das Sprichwort
Hochmut kommt vor dem Fall
bewahrheitete sich mal wieder.
    »Ich möchte aber nicht, dass sie stirbt«, sagte Susan leise und sah in die Runde.
    Alle senkten betroffen den Blick und murmelten: »Nein, natürlich nicht.«
    Eine bange Stunde verstrich, dann kam Theo in den Aufenthaltsraum und sagte, der Verdacht, Esperanza habe die Masern, hätte sich bestätigt.
    »Man hat sie im Hospital isoliert, und sie darf bis auf weiteres keine Besuche empfangen. Doktor Croggan ist jedoch guter Hoffnung, dass die Krankheit nicht allzu schwer verlaufen wird. Glücklicherweise hat man die Symptome rechtzeitig erkannt, und es wird alles Menschenmögliche für Esperanza getan.« Er klatschte in die Hände. »Es wird Zeit, Mädchen, macht euch jetzt fertig und zieht euch um. Bei aller Sorge um unsere Kollegin – das Publikum hat es verdient, eine großartige Show zu erleben.« Er trat vor Susan, kniff sie leicht in die Wange und zwinkerte ihr zu. »Nur Mut, ich bin sicher, du schaffst das.«
     
    Die Aufführung flog wie im Rausch an Susan vorbei. In den ersten Minuten zeigte sich das Publikum im ausverkauften Haus zwar enttäuscht, statt der berühmten Esperanza Montoya
nur
die Zweitbesetzung in der Hauptrolle zu sehen, aber schon bald zog Susan mit ihrem Spiel die Menschen in den Bann. Der Applaus am Ende war nicht weniger, als hätte Esperanza auf der Bühne gestanden, und sie mussten sechs Vorhänge geben, bevor sie sich erschöpft, aber glücklich in die Garderobe zurückziehen konnten. Die Kolleginnen klopften Susan auf die Schulter.
    »Gut gemacht, Peggy«, sagte Hetty anerkennend. »Also, ich habe Esperanza nicht vermisst. Im Gegenteil, ich fand dich sogar besser. Du hast deine alte Form wiedergefunden.«
    »Treffen wir uns noch bei Meggie?«, fragte Joan. »Ich bin viel zu aufgedreht, um jetzt schlafen zu gehen.«
    Susan nickte, beeilte sich mit dem Abschminken und Umziehen. Eine Stunde später – es war beinahe schon Mitternacht – stieß das ganze Ensemble in dem gemütlichen Lokal mit Rotwein auf den Abend an. Meggie hatte das Lokal geschlossen, da die Sperrstunde längst vorüber war, gegen eine private Feier in ihren eigenen Räumen konnte jedoch niemand etwas sagen. Lediglich Theo fehlte, er hatte sich auch nach der Vorstellung nicht bei Susan blicken lassen. Sie hatte erwartet, er würde ihr sagen, wie ihm ihr Auftritt gefallen hatte. Offenbar war er nicht mit ihr zufrieden, denn sonst wäre er doch zu ihr gekommen, auch wenn er nur selten lobte. Dennoch hätte sich Susan über ein paar anerkennende Worte gefreut. Dies trübte Susans Stimmung ein wenig, denn sie selbst war der Meinung, die Rolle gut und überzeugend gespielt zu haben.
    Gerade als Meggie begann, ausgiebig zu gähnen, die Stühle auf die Tische zu stellen, und damit das Zeichen gab, das Café zu schließen, klopfte es heftig an die Tür. Durch die Scheibe erkannte Meggie den jungen Pete, der aufgeregt gestikulierte und um Einlass bat. Nachdem Meggie die Tür geöffnet hatte, lief er direkt auf Susan zu.
    »Ich dachte mir, dass du noch hier bist«, sagte er.
    »Gibt es Neuigkeiten von Esperanza?«, fragte Susan gespannt und fürchtete, der Junge würde sagen, der Zustand der Kollegin habe sich plötzlich verschlechtert. Zu ihrer Erleichterung schüttelte Pete den Kopf.
    »Hab nichts aus dem Hospital gehört. Theo möchte dich sprechen, du sollst zu ihm ins Büro kommen.«
    »Wie? Jetzt?« Susan sah auf die Uhr. »Es ist nach zwei …«
    »Sofort«, unterbrach Pete bestimmt. »Theo meinte, wenn du bereits zu Hause im Bett wärst, dann soll ich dich, wenn nötig, im Nachthemd zu ihm bringen.«
    »Oh, Pete, Pech für dich, dass Susan noch nicht im Bettchen

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