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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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lässt, wieder wett. Ich bin sicher, das Publikum wird begeistert sein.«
    »Ich verstehe nicht …« Unsicher sah Susan von Kingsley zu Theo. Letzterer lächelte etwas wehmütig.
    »Tja, liebe Peggy, Mr. Kingsley möchte, dass du an Esperanzas Stelle das Angebot am Pigeon-Theatre annimmst, wenngleich ich dich nur ungern ziehen lasse und mir nun wieder eine neue Hauptdarstellerin suchen muss.«
    »Das ist ein Scherz!« Fassungslos ließ sich Susan auf einen Stuhl fallen und sah Theo an. »Doch nicht ich.«
    »Warum nicht, meine Liebe?« Kingsley trat vor sie und musterte sie von oben bis unten. Durch die dicken Brillengläser wirkten seine Pupillen unnatürlich groß. »Die Zeit ist zu knapp, um jetzt alle Londoner Theater auf der Suche nach einer anderen Schauspielerin abzuklappern, und Nathan hat sich in den Kopf gesetzt, dem Publikum eine englische Schauspielerin in der nächsten Saison zu präsentieren. Wie gesagt, es ist von dringender Notwendigkeit, das Schiff zu erreichen, denn sonst kommen wir in erhebliche Zeitnot. Theodor hat mir versichert, Sie sind eine fleißige junge Dame, die ihren Beruf sehr ernst nimmt, und von Ihrem Talent habe ich mich heute Abend selbst überzeugen können. Alles Weitere, zum Beispiel, wie man sich in der eleganten Gesellschaft richtig bewegt und so fort, werde ich Sie lehren. Während der Überfahrt haben wir dafür genügend Zeit. Nun, Miss Peggy, nehmen Sie mein Angebot an?«
    Theo kramte in einem Stapel Papier und legte ihr ein Blatt vor.
    »Ich habe den Vertrag bereits vorbereitet. Sollte es dir wider Erwarten in New York nicht gefallen, dann kannst du nach Ablauf der vereinbarten drei Monate selbstverständlich wieder an mein Theater zurückkommen.« Er zuckte bedauernd mit den Schultern. »Allerdings glaube ich nicht, dass dies der Fall sein wird. Peggy, der Broadway ist die Chance deines Lebens! Die Amerikaner werden dich lieben, wie es die Europäer tun, und dir steht die ganze Welt offen.«
    »Was ist mit meiner Wohnung?« Sie runzelte die Stirn. »So schnell kann ich diese unmöglich auflösen, und dann gibt es noch so vieles, was zu erledigen ist …«
    »Deine Wohnung kannst du untervermieten«, unterbrach Theo. »Ich weiß, dass deine Kollegin Kay auf der Suche nach einer neuen Bleibe ist, denn in ihrer bisherigen Unterkunft zieht es an allen Ecken und Enden, trotzdem erhöht ihr der Hausbesitzer laufend die Miete. Du kannst vorerst mit kleinem Gepäck reisen, und wenn du dich entschließt, in New York zu bleiben, werden wir dir deine restlichen Sachen nachschicken.«
    Susan schluckte mehrmals, die Gedanken in ihrem Kopf wirbelten wild durcheinander. Heute war Samstag. Ach nein, sie warf einen Blick auf die Uhr, es war bereits Sonntagmorgen. Das Schiff legte am Mittwochvormittag ab, und ihr blieb nur wenig Zeit, ihre Sachen zu packen. Andererseits – der Broadway war der Traum einer jeden Sängerin und Schauspielerin. Amerika – das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo niemand sie kannte und wo sie ganz von vorn anfangen konnte …
    Sie zögerte nicht länger und setzte ihre Unterschrift unter den Vertrag. Nun würde also sie an Esperanzas Stelle über den Atlantik in eine für sie völlig fremde Welt reisen und dort auftreten, wo bereits Sarah Bernhardt umjubelt und gefeiert worden war.
    Susan wusste nicht, wodurch sie so viel Glück verdient hatte.
     
    In der Nacht vor der Abreise schlief Susan keine Minute. Sie war viel zu aufgeregt, außerdem gab es noch tausend Dinge, die zu erledigen waren. Fünfmal packte sie ihren Koffer neu, bis sie sich entschieden hatte, was sie sofort nach New York mitnehmen wollte. Hetty und Doro gingen ihr dabei zur Hand. Die beiden Freundinnen konnten auch nicht schlafen, obwohl am nächsten Vormittag eine Probe angesetzt war.
    »Weißt du, Peggy, auch wenn ich jetzt die Gloria spielen darf, könnte ich nur heulen, wenn ich daran denke, dass du bald so weit weg sein wirst.« Hetty sah Susan mit einem waidwunden Blick an. »Esperanza hätte ich mit Freude verabschiedet, bei dir jedoch …«
    Susan schloss die Kollegin in die Arme, und Doro schluchzte verhalten.
    »Mädels, jetzt reißt euch mal zusammen!« Susan tat betont forsch, sonst wären ihr auch noch die Tränen gekommen. »Ich fahre vorerst mal für drei Monate. Wer weiß, ob mich das Publikum überhaupt mag oder ob ich in diesem Land bleiben möchte. Außerdem hat dieser Schneyder, der Intendant des Theaters, auch noch ein Wort zu sagen, er hat ja schließlich

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