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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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ihre Zustimmung.
    »Wir fordern unsere Freilassung!«, rief eine und hob die geballte Faust. »Auf der Stelle, sonst …«
    Die beiden Männer blieben unbeeindruckt. Der eine ließ seinen Blick über die Frauen schweifen und sagte kühl: »Euch wird wegen Aufwiegelung, Brandstiftung und versuchten Mordes der Prozess gemacht. Es würde sich positiv auf eure Urteile auswirken, wenn ihr gesteht.«
    »Pah! Wir haben nichts zu gestehen, wir sind unschuldig!«, schrie Sylvia Pankhurst, und alle Frauen stimmten ein.
    »Unschuldig! Unschuldig! Unschuldig!«
    Auch Rosalind konnte sich diesem Gruppenzwang nicht entziehen. Die beiden Herren, die sich kein Gehör mehr verschaffen konnten, zuckten resigniert mit den Schultern. Die Tür öffnete sich, und ein Dutzend Wärter kam herein, um die Frauen zurück in ihre Zellen zu bringen.
    »Hungerstreik!«, hörte Rosalind noch eine Frau rufen, dann war sie wieder allein.
    Auf das Essen zu verzichten, fiel Rosalind nicht schwer, denn es war ohnehin nahezu ungenießbar. In Irland hatte sie oft hungern müssen. Vielleicht war es ohnehin besser, wenn sie starb. Verhungern war kein schlimmer Tod, man wurde nach und nach schwächer, irgendwann schlief man ein und wachte einfach nicht mehr auf. Dann wäre sie bei Patrick und ihren Söhnen.
    »Gott, wenn es dich wirklich gibt – warum hast du mich auf dem Meer überleben lassen?«, rief Rosalind den kahlen Zellenwänden zu. Sie rollte sich auf der harten Pritsche zusammen, zog die rauhe, dünne Wolldecke bis ans Kinn und beschloss zu sterben.
     
    Sie holten sie nach zwei Tagen, in denen Rosalind ihr Essen nicht angerührt hatte. Rosalind dachte, man würde sie zu einem weiteren Verhör bringen, daher leistete sie keinen Widerstand, als zwei kräftige Männer und eine Frau sie durch die Gänge des Gefängnisses schleppten. Man brachte sie jedoch in einen Raum, der einem Krankenzimmer glich. Rosalind sah sich erstaunt um. In der Mitte stand ein Stuhl, dem Behandlungsstuhl eines Zahnarztes ähnlich, auf diesen wurde Rosalind geschubst.
    »Du willst also nicht essen?« Ein Mann in einem weißen Kittel musterte sie gehässig. »Meinst wohl, eine Märtyrerin aus dir zu machen, aber dagegen wissen wir uns zu wehren.«
    Bevor Rosalind etwas sagen konnte, wurden ihre Ellbogen und Knie mit breiten Lederriemen an den Stuhl gefesselt, und jemand schob ihr einen Holzkeil zwischen die Zähne. Rosalind, die erst jetzt begriff, was man mit ihr vorhatte, versuchte, sich mit aller Kraft zu wehren, doch die Riemen hielten sie fest, und zusätzlich drückte ein Mann ihre Schultern nach unten, während ein zweiter mit seinen großen, starken Händen ihren Kopf festhielt. Rosalind wollte schreien, als sie den männerdaumendicken Gummischlauch sah, aus ihrem Mund kamen jedoch nur ein paar gurgelnde Geräusche. Grob wurde der Schlauch in ihren Hals gestoßen, während jemand ihr die Nase zuhielt, damit sie gezwungen war, durch den Mund zu atmen und den Schlauch zu schlucken. Rosalind meinte, ihre Kehle würde gespalten, und sie begann zu würgen. Obwohl sie sich zuvor den Tod herbeigesehnt hatte, reagierte ihr Körper instinktiv mit dem Überlebenswillen, der jedem Menschen eigen ist. Sie bäumte sich auf und zerrte an den Riemen, doch da floss durch den Schlauch der lauwarme Brei aus Eiern und Milch bereits in ihren Magen. Ihre Kehle brannte wie Feuer, und vor Schmerzen und ohnmächtigem Zorn tränten ihre Augen so sehr, dass sie kaum etwas sehen konnte. Nach wenigen Minuten war es vorbei, und der Schlauch wurde wieder aus ihrem Körper gezogen. Sofort revoltierte ihr Magen. Rosalind schaffte es nicht, sich zur Seite zu beugen, so landete ein Teil ihres Erbrochenen auf ihrem Kleid.
    »Künftig wirst du essen, oder wir machen das jetzt jeden Tag mit dir.« Eine Faust traf ihre Wange, doch der Schlag war nichts im Vergleich zu den Schmerzen in ihrer Brust und in ihrem Magen. Als man ihre Fesseln löste und sie aufstehen wollte, gaben die Beine unter ihr nach, und sie stürzte zu Boden. Hart schlug sie mit den Knien auf, wurde jedoch sofort wieder hochgezogen.
    »Das ist keine von den Starken, die hält nicht lange durch.« Einer der Männer lachte böse und siegessicher. »Die wird bald wieder essen, da bin ich sicher.«
    Grob zog man Rosalind an den Haaren hoch und schleppte sie zurück in ihre Zelle. Dort wurde sie auf die Pritsche geworfen, als wäre sie nur ein Bündel Lumpen. Blut lief aus ihren aufgerissenen Mundwinkeln, und erneut musste sie sich

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