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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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als Stephen vier Tage später vor ihrer Tür stand.
    »Du bist mir gefolgt«, schlussfolgerte sie richtig, da er offenbar wusste, wo sie wohnte.
    Stephen grinste mit seinem unwiderstehlichen Lächeln, trat ohne Aufforderung ein und sah sich in dem kleinen Cottage um.
    »Gemütlich hast du es hier. Ich nehme nicht an, du hast irgendwo einen Brandy oder Cognac herumstehen?«
    Mit vor der Brust verschränkten Armen blieb Susan unter dem Türsturz stehen.
    »Was willst du hier?« Sie runzelte die Stirn. »Du weißt, wie schnell die Leute reden …«
    »Ach, Susan, ich bitte dich!« Stephen lachte laut. »Es ist helllichter Tag, und jeder kann mich sehen. Wenn ich etwas anderes vorhätte, als dir einen harmlosen Freundschaftsbesuch abzustatten, würde ich mich in der Nacht herschleichen. Nein, ich komme aus einem anderen Grund. Ich darf mich doch setzen, oder?«
    Unaufgefordert ging er in das kleine Wohnzimmer, setzte sich in den einzigen Sessel und streckte vorsichtig sein verletztes Bein von sich. Stephen war wieder in Uniform, die ihm unverschämt gut stand, wie Susan zugeben musste. Sie selbst blieb abwartend an der Tür stehen.
    »Veronica … das ist meine Frau … und ich waren kürzlich auf Sumerhays«, begann er. Susan ließ sich nicht anmerken, dass sie das bereits wusste, und wartete gespannt, worauf er hinauswollte. »Als ich in einem Nebensatz deinen Namen erwähnte und dass du jetzt in Polperro lebst, reagierte Lady Lavinia … nun, sagen wir mal … sie reagierte recht seltsam.«
    »Seltsam?« Susan setzte sich nun doch auf das Sofa. »Was meinst du mit seltsam?«
    Stephen sah sie eindringlich an.
    »Sie wurde erst rot, dann grau im Gesicht. Wir befürchteten, sie würde jeden Moment in Ohnmacht fallen, dann rannte sie aus dem Zimmer, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her. Diese Reaktion hat mich sehr verwundert, ihr wart doch mal befreundet.«
    Susan atmete mehrmals tief durch, bevor sie entgegnete: »Ich meine mich zu erinnern, dass ich dir bereits mehrmals sagte, dass Lavinia Callington und ich nie Freundinnen waren. Vor vielen Jahren hat sie mir einmal aus einer Notlage geholfen, das war’s. Seitdem bestand kein Kontakt zwischen uns.«
    »Aha.« In Stephens Gesicht stand deutlich zu lesen, dass er ihr nicht glaubte, und plötzlich wechselte er das Thema. »Bei der Teestunde war auch Anabell anwesend. Du kennst doch Lavinias Tochter Anabell, nicht wahr?«
    Susan stand hastig auf.
    »Ich glaube, es ist jetzt besser, wenn du gehst. Die Leute von Sumerhays und ich haben nichts miteinander zu tun.«
    Stephen machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben, im Gegenteil. Mit einem entspannten Lächeln lehnte er sich zurück.
    »Schon vor Jahren erschien es mir recht seltsam, dass eine Viscountess von Tredary ein armes Londoner Mädchen, das
angeblich
Witwe und schwanger war, aufnimmt und sich um sie kümmert. Dann verschwandest du plötzlich, und Lavinia bekam ein Kind, während du deines
angeblich
verloren hast. Wie ich heute weiß, war dein Mann damals noch am Leben, trotzdem wolltest du alles tun, um deine Schwangerschaft zu verbergen. Susan, das klingt doch wie aus einem schlechten Theaterstück entlehnt, das musst du doch selbst zugeben.«
    »Wenn du jetzt nicht gehst, rufe ich den Nachbarn zu Hilfe.« Susans Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, während in ihrem Inneren ein Sturm der Gefühle tobte. »Er ist Hufschmied und sehr kräftig …«
    »Schon gut, ich gehe.« Stephen hob die Hand und stand auf. Er trat so dicht vor Susan, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. »Du kannst sagen, was du willst, Susan, aber irgendetwas stinkt hier zum Himmel. Hast du Anabell Callington jemals in die Augen gesehen? Nein? Dann solltest du es tun, denn sie hat die gleichen Augen wie du. Lavinias Tochter sieht, je älter sie wird, immer mehr wie eine jüngere Ausgabe von dir aus. Mich wundert nur, dass dies bisher noch niemandem aufgefallen ist.«
     
    Noch lange, nachdem Stephen gegangen war, saß Susan zitternd auf einem Küchenstuhl. Sie wünschte, sie hätte etwas Alkoholisches im Haus, ein Drink würde ihr helfen, ihre flatternden Nerven zu beruhigen. Stephen wusste es! Er wusste, dass Anabell nicht Lavinias, sondern ihre Tochter war. Wahrscheinlich ahnte er es seit Jahren, denn seine Bemerkungen, als sie sich vor dem Krieg in London getroffen hatten, zielten damals schon in diese Richtung. Was hatte Stephen jetzt vor? Wollte er sie erpressen? Was konnte sie ihm bieten? Seit seiner Heirat

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