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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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protestieren. Sie machte sich keine Gedanken darüber, was die Leute dachten, wenn sie so einfach mit einem Mann, den sie kaum kannte und der den schlechtesten Ruf der ganzen Gegend besaß, losfuhr. Sie hatte mit den Menschen in Looe nichts zu tun, und in einigen Monaten würde sie Cornwall verlassen und niemals zurückkehren.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben.« Stephen lächelte ihr zu, während er das Automobil startete. »Ich rate Ihnen, halten Sie Ihren Hut fest, er könnte leicht fortgeweht werden.«
    Susan löste ihren Schal und band mit diesem den Hut am Kinn fest. Ihr Herz klopfte aufgeregt. In London hatte sie öfter Automobile gesehen, dort gehörten sie beinahe schon zum Straßenverkehr. In den letzten Jahren waren sie immer zahlreicher geworden, wenngleich diese nicht so bald die Pferde von den Straßen verdrängen würden, wie es einige Pessimisten voraussagten. Wie viele andere meinte auch Susan, dass sich diese neuartige Errungenschaft der Technik aus Blech niemals dauerhaft durchsetzen würde. Dazu waren Automobile nicht nur zu teuer, sondern auch zu laut, und sie verpesteten mit ihren Abgasen die Luft. Dennoch war es faszinierend, einmal in einem solchen Fahrzeug zu sitzen. Krampfhaft hielt sie sich am Sitz fest, als Stephen Looe verließ, auf die Straße nach Osten einbog und beschleunigte.
    »Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben«, wiederholte Stephen lachend. »Es kann nichts passieren, ich habe schon ein paar Wochen Fahrpraxis.«
    Susan nickte und kniff die Augen zusammen, weil der Fahrtwind, da sie keine Brille trug, ihr wie spitze Nadeln ins Gesicht stach. Die Straße führte nun steil bergan, und eine Pferdekutsche wäre in langsamen Schritt verfallen. Nicht so das Automobil – es ging so rasant voran, dass die Bäume links und rechts der Straße regelrecht an Susan vorbeizufliegen schienen.
    »Es ist herrlich!« Sie musste die Worte laut schreien, damit Stephen sie verstehen konnte.
    Sie passierten ein paar kleine Dörfer, in denen die Menschen auf die Straße liefen und ihnen staunend nachblickten. Susan war die Gegend unbekannt, aber immer wieder blitzte rechter Hand das Meer durch die Bäume. Dann durchquerten sie ein Dorf, und plötzlich lag das blaue Band eines breiten Flusses unterhalb von ihnen, auf dessen gegenüberliegender Seite sich eine große Stadt mit einem weitläufigen Hafen ausbreitete. Stephen hielt an, schaltete den Motor ab und stieg aus. Bereitwillig nahm Susan seine Hand und ließ sich beim Aussteigen helfen.
    »Das ist Plymouth.« Er deutete zuerst auf das andere Flussufer, dann auf eine Ansammlung mehrerer Häuser den Hügel hinab. »Hier unten in Torpoint kann man mit der Fähre übersetzen.« Er sah Susan von der Seite an, und sie ahnte, was er fragen würde. »Wie ist es? Haben Sie Zeit, den Tamar zu überqueren, um einen Fuß nach England zu setzen?«
    Die cornischen Einwohner neigen dazu, zu sagen, sie begeben sich nach England und nicht nach Devon, wenn sie den Grenzfluss überqueren. Sie behaupten, am anderen Ufer des Tamars liege ein anderes Land und nicht nur eine andere Grafschaft. Stephen Polkinghorn war offenbar keine Ausnahme.
    Susan schüttelte bedauernd den Kopf. »Es geht leider nicht, ich muss wieder zurück. Man wird sich ohnehin fragen, wo ich so lange bleibe. Es ist Wahnsinn, wie schnell wir hier waren, mit einer Kutsche hätte man sicher doppelt so lange gebraucht.«
    »Nicht nur doppelt, sondern mindestens fünfmal so lange«, korrigierte Stephen. Er klopfte auf den Kotflügel seines Automobils. »Ist eine feine Erfindung, so ein Auto. Man spart sich den Unterhalt eines Pferdes, und wer keinen Stall oder Schuppen hat, kann das Auto einfach auf der Straße stehen lassen.«
    Susan ging um das Gefährt herum. Der dunkelgrüne Lack glänzte in der Sonne, aber die vielen Röhren und Schläuche verwirrten sie. Dann blickte sie über den Fluss.
    »Ich war zwar noch nie in Plymouth, muss Sie jedoch bitten, mich jetzt wieder nach Looe zurückzubringen.«
    Stephen schenkte ihr ein bedauerndes Lächeln.
    »Haben Sie kommenden Sonntag etwas vor?« Als Susan verneinte, fuhr er fort: »Wie wäre es mit einem Theaterbesuch in Plymouth? Oder sind Sie für einen sonntäglichen Ausflug zu beschäftigt?«
    »Ich weiß nicht.« Susan lachte, dennoch zögerte sie. Caja würde es sicher nicht gutheißen, wenn sie sich mit Stephen traf. Von dem heutigen spontanen Ausflug würde sie ihr am besten nichts erzählen. »Zeit habe ich schon«, fuhr sie fort. »Es

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