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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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mein Bestes zu geben …«, begann sie, wurde aber von Theo mit einer Handbewegung unterbrochen.
    »Susan, du weißt, dass das Stück
Die Elenden
ein Risiko für unser Theater ist. Etwas Vergleichbares wurde hier nie zuvor aufgeführt, unsere potenziellen Besucher kennen Victor Hugo, obwohl er einer der größten Dramatiker des letzten Jahrhunderts ist, wahrscheinlich gar nicht. Aus diesem Grund muss das Stück einfach ein Erfolg werden.« Er wechselte einen Blick mit Doro, lächelte, und die Sekretärin erwiderte sein Lächeln und nickte. Susan wurde traurig. Wusste Doro etwa schon Bescheid und hatte ihr nichts gesagt? Theo sah wieder zu Susan und fuhr fort: »Du weißt, wie ich dich schätze, Susan, und ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber …«
    Er machte eine Pause, in die Susan nur ein leises »Ja?« hauchen konnte.
    »Dein Name Susan Hexton ist nicht werbewirksam. Darum möchte ich dich bitten, dir einen anderen Namen, einen Künstlernamen, zu suchen, der den Menschen ins Auge sticht und ins Ohr geht. Wir müssen uns damit nur beeilen, damit die Plakate bald gedruckt werden können.«
    Susan glaubte, sich verhört zu haben.
    »Dann willst du mich nicht entlassen?«
    »Entlassen?« Theo schüttelte lachend den Kopf. »Wie kommst du auf eine solche Idee? Einen Teufel werde ich tun, mein bestes Pferd im Stall rauszuwerfen. Nein, Susan, ich möchte dich mit diesem Stück groß herausbringen, dafür brauchen wir jedoch einen neuen und klangvollen Namen.«
    Susan war froh, dass sie saß, denn plötzlich wurde ihr schwindlig, und ihre Wangen wurden blass. Doro begann zu verstehen. Sie legte freundschaftlich einen Arm um Susans Schultern.
    »Theo, das war gemein«, sagte sie tadelnd. »Susan dachte, als ihr Name nicht auf dem Plakat stand, dass sie die Fantine nicht spielen würde.«
    »Oh, das tut mir leid.« Theo wirkte ernstlich zerknirscht. »Vielleicht hätte ich mich anders ausdrücken sollen. Also, Susan, was schlägst du vor?«
    Eine Stunde diskutierten sie zu dritt über einen Künstlernamen, bis Susan schließlich
Peggy Sue
vorschlug.
    »Peggy war der Name meiner Großmutter«, erklärte sie, »und Sue ist ein Teil von Susan.«
    »Peggy Sue … Peggy Sue …« Theo wiederholte den Namen mehrmals, griff dann nach einem Stift und setzte ihn auf dem Plakat hinter der Rolle der Fantine ein. »Peggy Sue ist genial! Er geht ins Ohr, hat zugleich etwas … Verruchtes … ganz so, wie man es von Schauspielerinnen erwartet.« Er hielt Susan die Hand hin, und sie schlug ein. »Also, dann ist es abgemacht – der neue Star am Blue Horizon heißt ab heute Peggy Sue.«

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    Zweiter Teil
Peggy Sue
    Weihnachten 1910 bis April 1912
     

11. Kapitel
    London, 25. Dezember 1910
    S pann mich doch nicht so auf die Folter.« Susan wand sich unter der Bettdecke und bat und bettelte, aber der Mann schüttelte nur lachend den Kopf. »Wo hast du mein Geschenk versteckt?«, fuhr Susan fort und sah sich in ihrem Schlafzimmer um.
    »Du wirst dich noch eine Weile gedulden müssen.«
    »Ach, bitte, bitte, ich möchte jetzt mein Geschenk sehen.« Sie legte den Kopf schräg und zog einen Schmollmund. Er ließ sich jedoch nicht erweichen, sondern kitzelte Susan unter der Bettdecke, dass sie lachte, bis ihr die Tränen kamen.
    »Ich weiß, dass Geduld nicht deine Stärke ist, Peggy, trotzdem dauert es noch ein Weilchen, bis ich dir dein Geschenk überreichen kann«, flüsterte er ihr ins Ohr, dann fanden seine Lippen den Weg zu ihrem Mund, und er küsste Susan leidenschaftlich.
    Ronald McPhearson-Grant war seit etwa einem halben Jahr – wie es in ihrem Umfeld hieß – der
ständige Begleiter
von Susan, oder vielmehr Peggy Sue, der gefeierten Schauspielerin und Sängerin. Im vergangenen Frühjahr war er nach einer Vorstellung mit einem riesigen Blumenstrauß hinter die Bühne gekommen und hatte sich nicht abweisen lassen, bis Susan bereit war, ihn zu empfangen. Ronald McPhearson-Grant war Schotte. Der Stammsitz der Familie befand sich in der Nähe von Inverness, er lebte jedoch die meiste Zeit in London. »Weil hier der Regen wärmer ist als in Schottland«, hatte er erklärt und Susan dabei mit einem solch unwiderstehlichen Lächeln angesehen, dass sie seine Einladung zum Essen angenommen hatte, obwohl sie sonst nie mit einem Mann, den sie eben erst kennengelernt hatte, ausging.
    Ronald McPhearson-Grant war ein charmanter Plauderer, obwohl auf den ersten Blick nicht attraktiv im landläufigen Sinn. Er war zu groß –

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