Das Lied der Maori
an Timothy, sobald der das Lokal betrat. Im Lucky Horse gab es an diesem Tag kein anderes Gesprächsthema als das Pferderennen bei der Lambert-Mine, und der junge Steiger lechzte danach, Einzelheiten zu erfahren.
Tim war ein wenig später als sonst eingetroffen und hatte eben erst den Austausch seiner Förmlichkeiten mit Lainie – »Guten Abend, Miss Keefer!« – »Guten Abend, Mr. Lambert!« – hinter sich gebracht. Erst dann strebte er dem Stammtisch zu und ließ sich neben Matthew nieder.
»Das mit dem Fest war nicht meine Idee, wenn Sie jetzt darauf anspielen wollen, dass für Vergnügungen Geld da ist, aber keins für weniger gefährlichen Sprengstoff!«, gab Tim unwillig Antwort. Er hatte sich eben mit seinem Vater über diese Angelegenheit gestritten und wie immer nichts erreicht.
»Für die Bergleute ist das Fest viel wichtiger als die Arbeitsbedingungen!«, behauptete Marvin Lambert. »Brot und Spiele, mein Sohn, das kannte man schon im alten Rom. Wenn du ihnen eine neue Waschkaue baust, wollen sie morgen einen neuen Förderkorb oder bessere Grubenlampen. Aber wenn du ihnen ein anständiges Pferderennen bietest, einen Ochsen brätst und das Freibier strömen lässt, schwärmen sie noch Wochen später in den höchsten Tönen davon!«
»Tue ich doch gar nicht«, meinte Matt friedfertig. »Es passt bloß so wenig zu Ihrem alten Herrn. Ein großes Fest am Sankt-Barbara-Tag. Hatten wir bislang noch nie, und ich bin schon drei Jahre hier.«
Tim zuckte die Achseln. »Wir sprachen neulich schon darüber, die Gewerkschaften sind auf dem Vormarsch. Die Leute hören von Aufständen in England, Irland und Amerika. Es fehlt nur noch der richtige Anführer, und wir kriegen Saures.« Tim leerte sein Bier schneller als sonst und orderte einen Whisky. »Dem gedenkt mein Vater vorzubeugen. Durch Brot und Spiele ...«
»Ein Pferderennen? Wir haben hier doch gar keine Rennpferde!« Ernest und Jay Hankins, der Schmied, gesellten sich zu ihnen.
Tim zog die Augenbrauen hoch.
»Wir haben auch keine Windhunde«, bemerkte er gelassen. »Hunderennen geht also genauso wenig. Es sei denn, wir lassen Miss Lainies Callie gegen Mrs. Millers Pudel rennen ...« Tim lächelte und warf einen Blick auf die kleine Hündin unter dem Klavier. Callie hörte ihren Namen, stand auf und trabte wedelnd auf ihn zu. Zumindest Callies Herz hatte er im Laufe der letzten Wochen gewonnen, wobei er vor Bestechung nicht zurückschreckte. Callie liebte die kleinen Würstchen, die Tims Mutter zum Frühstück servieren ließ. »Aber es gibt hier unzweifelhaft ein paar Pferde, die galoppieren können, und mein Vater will den Leuten was zum Wetten bieten. Wenn wir uns da nicht in die Niederungen von Hahnenkämpfen herablassen, kommt nur ein Pferderennen in Frage. Außerdem ist das einfach zu organisieren. Um das Minengelände herum führen Wege, und die meisten sind einigermaßen eben und zum Reiten geeignet. Man nennt das Ganze Lambert Mine Derby. Jeder darf mitmachen, jeder darf wetten, und das schnellste Pferd gewinnt.«
»Dann machen wir es wohl unter uns aus!«, sagte Jay Hankins grinsend. Er besaß eine hochbeinige Stute, und auch Tims Wallach hatte Vollblutahnen.
»Ich kann da doch nicht mitreiten!«, brummte Tim. »Wie sieht das denn aus?«
Auch eine Diskussion, die er schon mit seinem Vater geführt hatte. Der alte Lambert war der Meinung, dass sein Sohn sich nicht nur am Rennen beteiligen, sondern es auch gewinnen müsse. Die Bergleute sollten auf einen Lambert setzen und mit ihm triumphieren. Das würde ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen und die Männer für ihre Arbeitgeber einnehmen. Marvin Lambert dachte sogar ernsthaft daran, sich extra ein Vollblutpferd anzuschaffen.
»Wie soll das schon aussehen?«, fragte Ernie verwundert. »Sie haben ein Pferd und machen mit – wie wahrscheinlich jeder in dieser Stadt, dessen Gaul es noch schafft, einmal rund um die Mine zu trotten. Das ist ein Spaß, Tim! Das wollen Sie sich doch nicht ernstlich entgehen lassen?«
Für die Bergleute war es nicht nur ein Spaß. Tim wusste, dass sie sich zu hohen Wetteinsätzen würden hinreißen lassen. Da ging schnell ein Wochenlohn verloren, und kein Mensch konnte wissen, wer bei einem so seltsamen Rennen gewann.
»Unsere Miss Lainie macht jedenfalls mit!«, bemerkte Florry, das Schankmädchen. Sie hatte die Unterhaltung mitgehört und stellte nun neue Bierhumpen auf den Tisch.
Die Männer lachten.
»Miss Lainie mit ihrem Pony?«, höhnte Jay. »Wir
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