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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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deutlich wohler als bei der Konkurrenz, obwohl ebenfalls ziemlicher Lärm herrschte. Hier wurde allerdings gesungen statt zu streiten – drei Waliser hatten sich zu einem kleinen Chor rund um das Klavier zusammengefunden. An einigen Tischen unterhielten sich Männer mit offenherzig gekleideten Mädchen, an anderen wurde Karten gespielt, und eine Gruppe Grubenarbeiter maß sich im Dart. In einer Nische, etwas abseits vom allgemeinen Geschehen, saß bereits Matthew Gawain und winkte den Neuankömmlingen fröhlich zu.
    »Kommen Sie hierher, Mr. Lambert, hier ist es ruhiger. Und die Männer werden nicht gleich gewahr, dass ihr Steiger da ist, und erst recht ihr Chef. Das macht viele nervös. Sie glauben anscheinend nicht, dass auch unsereiner nach dem Tag in der Mine eine trockene Kehle hat. Eher meinen sie, ich zähle ihre Drinks.«
    »Zu viele werden sie sich doch in der Woche kaum leisten können«, meinte Tim und setzte sich zu ihm. Ein Schankmädchen näherte sich, und er orderte ein Bier. Ernest Gast tat es ihm nach; auch ihm hatte Matthew einen Platz angeboten. Die Männer schienen sich zu kennen.
    Matt zuckte die Achseln. »Einige leisten sich viel zu viele Drinks. Da geht meist der ganze Lohn drauf; deshalb kommen die Kerle auf keinen grünen Zweig. Aber will man’s ihnen verdenken? Tausende von Meilen von der Heimat weg und immer noch keine Zukunft. Die Behausungen im Dreck, der ständige Regen ...«
    »Betrunkene sehe ich ungern unter Tage.« Tim nahm einen ersten Schluck von seinem Bier und schaute sich im Pub ein wenig genauer um. Wild gezecht wurde hier zurzeit nicht. Die meisten Männer hatten Biergläser vor sich stehen, nur wenige Gäste orderten Whisky – und die sahen nicht wie Bergleute aus. Die Musik klang jetzt fröhlicher. Die traurigen Waliser hatten das Klavier geräumt, und der Pianist spielte stattdessen eine irische Jigue.
    Der Pianist?
    »Was zum Teufel ist das denn?«, fragte Tim verblüfft, als er das Mädchen am Klavier erkannte. Unzweifelhaft das schüchterne kleine Ding, das er am Nachmittag getroffen hatte. Jetzt trug sie allerdings kein unauffälliges Reitkleid mehr, sondern ein hübsches blaues Rüschenkleid, das ihre schmale Taille betonte. Die Farbe war etwas zu aufdringlich für eine Tochter aus gutem Hause, aber das Kleid als solches war längst nicht so aufreizend wie die der Schankmädchen und Huren, sondern verhältnismäßig hochgeschlossen. Ihr Haar hing jetzt offen über ihre Schultern und schien in ständiger Bewegung zu sein. Die Locken waren so fein, dass jeder winzigste Luftstrom sie hochwirbeln ließ.
    Matt und Ernest blickten aufgeschreckt in die Richtung, in die Tim wies. Dann lachten sie.
    »Die Hübsche am Piano?«, fragte Ernest. »Das ist unsere Miss Lainie.«
    »Die Heilige von Greymouth!«, witzelte Matt.
    Tim runzelte die Stirn. »Also, wie eine Heilige sieht sie mir nicht aus«, bemerkte er. »Und hier würde ich auch keine vermuten.«
    Matt und Ernest kicherten.
    »Sie kennen ja auch unsere Miss Lainie noch nicht«, meinte Ernest salbungsvoll. »Man nennt sie auch ›Die Jungfrau von Greymouth‹, aber das hören die Damen nicht gern, weil es sich anhört, als wäre sie die Einzige.«
    Wieder dröhnendes Gelächter, auch von den Nachbartischen.
    »Also, klärt mich jetzt mal einer auf?«, fragte Tim unwirsch. Er wusste nicht, warum, aber es gefiel ihm nicht, wie die Männer über das Mädchen spotteten. Die kleine Rothaarige sah zu süß aus. Ihre zarten Finger schienen über die Tasten zu fliegen, als sie die schwierigen Läufe der schnellen Melodie formte, und zwischen ihren Augen stand eine steile Falte, ein Zeichen tiefer Konzentration. Das Mädchen schien den Pub und die Männer um sich herum zu vergessen, sie bildete eine Insel der ... Unschuld?
    Matthew erbarmte sich schließlich.
    »Sie sagt, ihr voller Name ist Lainie Keefer. Sie ist vor ungefähr einem Jahr hier aufgetaucht, ziemlich abgerissen, und suchte nach Arbeit. Ehrbarer Arbeit. Sie machte auch den Versuch, ein Zimmer in einer ordentlichen Pension anzumieten. Die Frau des Barbiers regt sich heute noch darüber auf, dass sie einer solchen Person beinahe ihr Haus geöffnet hätte. Aber sie hatte kein Geld. Na ja, und Greymouth ist ja auch nicht gerade ein Paradies für weibliche Arbeitskräfte. Schließlich stellte Madame Clarisse sie als Pianistin an. Vorerst. Wir haben natürlich gleich darauf gewettet, wann sie umfällt. In dieser Umgebung, wie soll da ein Mädchen sauber

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