Das Lied der Maori
sterben vor Angst!«
Florry blickte ihn missbilligend an. »Warten Sie ab, bis Banshee Ihnen ihre Hinterhufe zeigt!«, stieß sie hervor. »Wir werden alle auf sie setzen!«
»Davon läuft das Pferdchen aber auch nicht schneller«, neckte Matt sie. »Im Ernst, wie kommt ihr auf die Idee?«
»Miss Lainie kann besser reiten als all die Kerle hier«, trumpfte Florry auf. »Und sie hat vorhin gesagt, sie hätte Lust. Da meinte Madame Clarisse, wenn sie Lust hätte, soll sie starten. Wir werden bunte Schleifchen in Banshees Mähne winden, und dann läuft sie Reklame fürs Lucky Horse. Lainie hat sich erst ein bisschen geziert. Aber wir werden sie alle anfeuern, und Banshee wird bestimmt das hübscheste Pferd sein.«
»Und Miss Lainie die hübscheste Reiterin!«, sagte Tim lächelnd, bevor Matt und die anderen das Mädchen wieder necken konnten. Florry war nicht die Klügste. Wahrscheinlich hatte sie den Unterschied zwischen einem Pferderennen und einer Schönheitskonkurrenz wirklich nicht ganz verstanden. Doch für Tim bot diese Nachricht neue Perspektiven. Beim Rennen, sozusagen von Jockey zu Jockey, musste Lainie mit ihm reden! Er hob sein Glas und trank seinen Freunden zu.
»Also schön, dann will ich auch nicht so sein. Morgen setz ich mein Pferd ebenfalls auf die Liste. Möge der Bessere gewinnen!«
Oder die Beste, dachte Elaine. Sie hatte ein paar einfache Lieder gespielt und dabei die laute Unterhaltung der Männer verfolgt. Und sie hatte nicht die Absicht, sich zum Gespött der Mine zu machen. Deshalb hatte sie sich am vergangenen Tag das Geläuf angesehen. Das Rennen ging über insgesamt drei Meilen, über harte und weiche, breite und schmale Wege, bergauf und bergab. Hier würde nicht einfach der Schnellste gewinnen, es kam auch auf Trittsicherheit und Kondition der Pferde an – und auf das Können der Reiter. Elaine warf Timothy Lambert einen Seitenblick zu und errötete, als er es bemerkte und ihr zuzwinkerte.
Also gut, er hatte einen gemeinsamen Ausritt gewollt. Am Sankt-Barbara-Tag sollte er ihn haben.
8
Der 4. Dezember, geweiht der Schutzheiligen der Bergwerke, fiel in Neuseeland in den Hochsommer. Selbst im sonst regenreichen Greymouth schien an diesem Tag strahlend die Sonne, und Marvin Lamberts Männer hatten das Minengelände in einen Festplatz verwandelt. Geschmückt mit Girlanden, Fähnchen und Luftballons wirkten die Büros, Fördertürme und Kohlenhalden längst nicht so grau und marode wie sonst, und die Wirtschaftswege dazwischen waren endlich mal trocken. Heute säumten sie Buden, an denen Bier, aber auch Tee für die Damen ausgeschenkt wurde. An großen Feuern brieten ganze Ochsen am Spieß. An anderen Ständen konnten sich die Männer im Dart messen oder Wettbewerbe im Hufeisenwerfen und Nägeleinschlagen bestreiten.
Das Zentrum aber bildete der Führring für das Pferderennen, ein Platz, der schon Stunden zuvor belagert war. Schließlich gab es bei diesem seltsamen Rennen immer noch keinen Favoriten. Viele Wettlustige würden sich erst im letzten Moment für das Pferd und den Reiter entscheiden, die ihnen am aussichtsreichsten erschienen. Und gleich hier, vor dem Mineneingang, waren auch Start und Ziel sowie ein improvisiertes Wettbüro, geleitet von Paddy Holloway, dem Wirt des Wild Rover. Die Leute konnten also nahe der Bierstände Wetten platzieren und später den Zieleinlauf verfolgen. Marvin Lambert fungierte als Schirmherr des Rennens. Zum Schiedsrichter hatte man den geduldigen Reverend bestimmt, der das Amt nur annahm, um seinen Schäfchen vorher eine Rede über die Gefahren und Gottlosigkeit des Wettens zu halten. Überhaupt zeigte der Gottesmann außerordentliche Flexibilität, indem er sich sogar bereit erklärte, am Morgen des Festes vor der Mine eine Messe zu lesen. Dabei war er Methodist und hatte mit der heiligen Barbara nichts zu schaffen. Reverend Lance sah aber auch das pragmatisch: Die Männer der Lambert-Mine brauchten in ihrem Alltag sicherlich himmlischen Beistand. Wie sie diese freundliche Macht nennen wollten, überließ er ihnen.
Elaine spielte dazu
Amazing Grace
, ein Lied, mit dem man außerhalb von Hochzeiten nun wirklich nichts falsch machen konnte.
Am Nachmittag, als das Rennen näher rückte, waren die Festgäste gesättigt und fast alle schon leicht berauscht.
Als Elaine ihre Stute zum Führring ritt, erkannte sie überwiegend Männer im Publikum. Nur Madame Clarisse’ Mädchen in ihren bunten, offenherzigen Sommerkleidern stachen wie
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