Das Lied der Maori
Schließlich wollt ihr bei der Sache ja auch mal was verdienen.«
»Sie hören sich an, als ob Sie was davon verstehen«, bemerkte Caleb zögernd. »Haben Sie so etwas schon mal gemacht?«
William schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich verkaufe Nähmaschinen. In gewisser Weise ist das auch eine Show – und wir hatten durchaus ein paar Leute in den Schulungen, die regelrecht Lampenfieber hatten. Ich verrate Ihnen nachher mal ein paar Tricks, Caleb. Auf jeden Fall hat man dabei nichts zu verschenken. Man kann natürlich mal einen sozialen Aspekt einfügen ...«
»Wie hier bei der Manufaktur für die Grubenopfer?«, fragte Caleb schmunzelnd.
William nickte ernst. »Aber im Vordergrund steht die Verkaufsabsicht. Ich brauche einen günstigen Raum für die Demonstrationen, preiswerte Unterkunft für mich und mein Pferd ... Wobei das alles aber auch nicht schäbig wirken darf. Auf die Dauer entwickelt man ein Gespür dafür. Ich sehe sofort, in welchem Pub ich eine Verkaufsschau veranstalten kann und in welchen sich keine ehrbare Frau reintraut. Euch zum Beispiel würde ich nie im Wild Rover auftreten lassen. In diesen Schuppen führt niemand seine Liebste zwecks Kulturgenuss. Ins Lucky Horse natürlich auch nicht. Hier in Greymouth kommen höchstens die großen Hotels in Frage. Aber alles in allem ist es nicht die richtige Stadt ...« Williams letzte Worte klangen beinahe träumerisch. Er schien die Tournee bereits zu planen, die Orte Revue passieren zu lassen, die er kannte und die sich eigneten.
Kura und Caleb sahen sich an.
»Warum verkaufst du dann nicht zur Abwechslung mal uns?«, fragte Kura schließlich. »Zeig uns, wie es geht! Organisier ein großes Konzert in einer richtigen Halle, in einer großen Stadt ...«
»Na ja, die allergrößten Städte hat die Südinsel ja nicht gerade«, schränkte William ein, »und ich habe natürlich nicht die Kontakte von George Greenwood. Aber gut, wir beginnen in ...« Er runzelte die Stirn; dann ging ein Leuchten über sein Gesicht. »Wir starten in Blenheim! Da kenne ich eine Dame ... eigentlich kennen wir da beide eine Dame, Kura, die dringend eine Beschäftigung braucht ...«
So denke ich, dass Du, liebe Heather, in einer solchen Aufgabe große Befriedigung finden würdest. Außerdem solltest Du bedenken, dass die Stellung Deines Gatten Dich auf die Dauer zu kulturellem oder sozialem Engagement zwingt. Wobei das Prestige einer gefeierten Kunstmäzenin sicher das eines schlichten Mitglieds im Beirat des örtlichen Waisenhauses übersteigt. Schließlich prädestiniert Dich auch Deine außergewöhnliche Bildung zu einer Betätigung, die über reine Wohlfahrtsanstrengungen hinausgeht. Wobei die Präsentation des Projekts »Ghost Whispering – Haka meets Piano« auch deshalb einen hervorragenden Einstieg darstellt, da Du persönlich am musikalischen Werdegang und an der Formung der künstlerischen Persönlichkeit Kura-maro-tinis wesentliche Verdienste erworben hast. Ich bin sicher, dass Dein Gatte mir hier beipflichten würde, und verbleibe mit untertänigsten Grüßen, Dein William Martyn.
»Na, wie hört sich das an?« William schaute beifallheischend von Kura zu Caleb, der eben den dritten Whisky orderte. Kuras Gatte war mitreißend und seine Formulierungen unwiderstehlich. Aber Caleb hatte das Gefühl, in einen Strudel gerissen zu werden, in dem er unweigerlich ertrinken würde ...
»Whaikorero
, die Kunst der schönen Rede!«, sagte Kura. »Du beherrschst sie, keine Frage. Hat Heather Witherspoon wirklich einen reichen Eisenbahner geheiratet und führt in Blenheim ein großes Haus?«
»Die Wege der Geister«, sagte William dramatisch. »Also, soll ich es abschicken? Dann machen Sie mir aber keinen Rückzieher, Caleb! Wenn Heather richtig arbeitet – und das wird sie, das traue ich ihr zu –, spielen Sie vor hundert oder zweihundert Leuten. Schaffen Sie das?«
Nein, dachte Caleb, aber er sagte natürlich: »Ja.«
Kura orderte daraufhin Whisky für alle. Auch sie wollte an diesem Tag mittrinken. Vielleicht lief ihre Karriere ja wirklich an!
William beobachtete Caleb mit skeptischen Blicken. Der Mann war zu nervös, zu blass, zu wenig euphorisch. Auf die Dauer würden sie ihn ersetzen müssen. Eine Europatournee hielt er niemals durch. Doch am Anfang musste es mit Caleb Biller gehen. Sie brauchten einen Einstieg, einen großen Erfolg.
William warf seiner Frau eine Kusshand zu, als er aufstand, um die Getränke zu holen. Es würde nicht mehr lange
Weitere Kostenlose Bücher