Das Lied der Maori
einen äußerst vorzeigbaren Verlobten besaß? Keinen zerlumpten Goldgräber, sondern den potenziellen Erben eines Kohlebergwerks? Elaine fuhr sofort die Krallen aus, während Tim William höflich zunickte. Vielleicht wirkte es ein wenig arrogant, aber Tim schaffte es noch nicht, sich vom Pferd aus zu einem Fußgänger herunterzubeugen.
William zog die schon fast ausgestreckte Hand zurück.
»Dann darf man ja gratulieren«, sagte er steif.
»Man darf!«, bemerkte Lainie honigsüß. »Wir feiern die Verlobung am 16. August. Auf Lambert Manor. Ihr seid natürlich auch eingeladen, Kura und du. Bestell ihr das bitte. Wir haben ihr nämlich keine förmliche Einladung geschickt ... Schließlich dachten wir, sie käme mit Caleb.«
Damit schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln und ließ Banshee antreten. »Man sieht sich, William!«
Tim lachte, als sie außer Sicht waren. »Du entwickelst dich zu einer richtigen kleinen Hexe, Lainie! Ich werde aufpassen müssen, wenn ich mit dir verheiratet bin. Wo ist eigentlich diese Pistole?«
3
Kura hörte verwundert von Williams Karriere als Nähmaschinenvertreter und verfolgte seine Demonstration im Gemeindesaal. Das Ganze litt etwas darunter, dass die beiden immer noch kaum die Hände voneinander lassen konnten. William musste sich deutlich mehr anstrengen als sonst, sein weibliches Publikum glaubhaft zu umgarnen. Immerhin verkaufte er zwei Maschinen an Hausfrauen und landete den ganz großen Coup, indem er den Reverend dafür gewann, eine Nähwerkstatt für die Witwen des Minenunglücks zu gründen.
»Schauen Sie, ich weise die Damen ein – sehr viel ausführlicher als sonst. Ich werde ja einige Zeit mit meiner Frau in der Gegend bleiben. Und dann sollten sie befähigt sein, den Unterhalt für sich und ihre Familien selbst zu finanzieren. Über die Organisation des Ganzen müssen Sie sich natürlich mit Ihrem Spendenkomitee einigen ...« William nickte Mrs. Carey zu, die eben eine Maschine erstanden hatte. »Ob Sie die Damen fest anstellen oder ihnen die Maschinen sozusagen in Kommission überlassen ... Nein, unter drei Maschinen lohnt es sich nicht anzufangen. Und für fünf könnte ich Ihnen einen ordentlichen Preisnachlass anbieten ...«
»Du bist unwiderstehlich!«, wunderte sich Kura, als die beiden zusammen nach Greymouth zurückfuhren, die Hände ineinander verschlungen und beide auf der Suche nach einer Möglichkeit, unauffällig von der Straße abzufahren und sich irgendwo im Grünen zu lieben. »Die Leute fressen dir tatsächlich aus der Hand. Glaubst du wirklich, Mrs. Carey lernt noch, mit dieser komischen Maschine zurechtzukommen?«
William zuckte die Achseln. »Manchmal geschehen Zeichen und Wunder. Außerdem ist es mir völlig egal. Wenn sie das Ding bezahlt hat, kann sie damit nähen oder sich die Schuhe damit putzen. Hauptsache, ich kriege meine Provision. Und die Damen wirkten doch nicht unglücklich, oder?« Er grinste.
Kura lachte auf. »Du hast es immer schon verstanden, die Damen glücklich zu machen«, sagte sie und küsste ihn.
William hielt es nun auch nicht mehr aus. Er fuhr den Wagen auf einen Seitenweg und zog Kura unter die Plane. Das war zwar nicht übertrieben bequem, aber man konnte sich ausstrecken, und draußen war es um diese Jahreszeit einfach zu kalt. Er schlief auch während seiner Reisen mitunter im Wagen.
Was ein gemeinsames Zimmer anging, war die Lage hoffnungslos. Weder Mrs. Tanner noch Mrs. Miller wollten irgendwelche Kuppelei riskieren, und eine Suite in den noblen Hotels am Kai war zu teuer. William dachte schon darüber nach, stundenweise ein Zimmer im Lucky Horse zu mieten, doch Kuras Beziehung zu Madame Clarisse’ Etablissement war zwangsläufig ein wenig gespannt.
»Was ist aus deiner Begeisterung für Schafe geworden?« Kura kraulte Williams Nacken.
»Ein offensichtlicher Irrweg«, bemerkte er. »Meine Familie betreibt schon sehr lange Viehzucht. Ich dachte, es müsste mir liegen. Aber in Wirklichkeit ...«
»In Wirklichkeit betrieben eher eure Pächter die Viehzucht, und als du feststellen musstest, dass Schafmist stinkt, hast du die Lust verloren.« Kura redete nur wenig, aber wenn, fasste sie Dinge treffend in Worte.
»Das kann man so sagen«, gab William zu. »Und was ist aus deiner Begeisterung für die Oper geworden?«
Kura zuckte die Schultern. Dann erzählte sie von Barrister und ihren erfolglosen Bemühungen, als Sängerin auf eigenen Beinen zu stehen. »Es ist das falsche Land«, seufzte sie. »Das
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