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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Geräusch. Es kam aus der Schlafkammer. Ob es wieder so ein unerwünschtes Tier war? Auf Zehenspitzen schlich sie um die Ecke – und sah, dass ihre Truhe offen stand! Ann kniete davor und war  dabei, die kleine Schachtel, in der Moira ihr Haushaltsgeld aufbewahrte, wieder unter die Kleidung zurückzuschieben.  
    Als Ann Moira bemerkte, erstarrte sie und wurde totenblass. Sie versuchte nicht einmal, die Münzen in ihrer Hand zu verbergen.  
    Es war Moira, die das Schweigen brach. »Wieso?«, fragte sie tonlos. Sie wunderte sich selbst darüber, wie ruhig sie war. »Sorgen wir nicht anständig für dich? Hast du nicht genug zu essen? Geht es dir nicht besser als den meisten anderen Sträflingen?«  
    Sie hätte es wissen müssen. Wie hatte Mrs Zuckerman gesagt? Sie durfte niemandem vertrauen. Schon gar nicht einem Mädchen, das in Irland wegen Diebstahls verurteilt worden war. Auch wenn Ann immer beteuert hatte, dass sie noch nie etwas gestohlen hatte.  
    Endlich bewegte Ann sich, doch statt einer Antwort brach sie in Tränen aus. Die Hand mit den Münzen sank zu Boden, die Finger fest darum geschlossen.  
    Wut kochte in Moira hoch. Sie drängte das Mädchen, das noch immer vor der Truhe kniete, zur Seite und langte selbst hinein. »Warum nimmst du nicht auch noch das? Und das?« Sie warf ihr bestes Kleid aufs Bett, dann eine Brosche und ein Paar Seidenstrümpfe.  
    Ann weinte lauter. Sie bebte am ganzen Körper, aber sie sagte nichts.  
    »Ich dachte, du wärst so glücklich, hier arbeiten zu dürfen? Willst du lieber Dienst in den Sträflingshütten tun? Oder dein Leben als Freudenmädchen fristen?« Moira redete sich immer mehr in Rage. »Weißt du, was mit Leuten passiert, die ihre Dienstherren bestehlen? Sie werden ausgepeitscht und anschließend aus dem Haus gejagt! Wolltest du das?«  
    Ann schüttelte verzweifelt den Kopf, ihr Gesicht war tränenüberströmt. »Nein! Bitte, Ma’am, habt Mitleid!«  
    »Was wolltest du mit dem Geld?«  
    Ann schüttelte erneut den Kopf und schluchzte. »Ich kann nicht.«  
    »Ach, du kannst also nicht? Aber bestehlen kannst du uns?«  
    »Es ist nicht für mich!«, brach es aus Ann heraus.  
    »Dann stiehlst du also für andere?«  
    »Nein! Ich … ich brauche es für … für …«  
    »Für?« Allmählich verlor Moira die Geduld.  
    »Ich muss es einer Frau geben. In Parramatta.«  
    Moiras Wut fiel so plötzlich in sich zusammen, als hätte man die Luft aus einem Beutel gelassen. »Wirst du erpresst? Hat dir jemand gedroht?«  
    Ann brach schon wieder in lautes Weinen aus. »Nein … Es ist … es … es ist, um das Kind wegzumachen!«  
    »Oh.« Moira schwieg betroffen. Ann war schwanger? Dann war ihre Angst natürlich zu verstehen. Schwangere Dienstmädchen setzte man in Irland sofort auf die Straße. Doch dann musste sie lächeln. Ann war noch so jung und unerfahren …  
    »Hör mal, Ann, du bist nicht gleich in anderen Umständen, nur weil dich jemand geküsst hat …« Sie brach ab, weil sie nicht wusste, wie sie es ausdrücken sollte. Sie hatte ja früher selbst geglaubt, durch einen Kuss ein Kind empfangen zu können und war erst in der Hochzeitsnacht eines Besseren belehrt worden.  
    Ann richtete sich auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »O nein, Ma’am.« Ihre Stimme klang jetzt erstaunlich erwachsen. »Ich weiß, wie Kinder gemacht werden.«  
    Moira setzte sich auf das Bett. Und dann erzählte Ann mit gesenktem Kopf und so leiser Stimme, dass Moira sie kaum verstand, immer wieder von Schluchzern unterbrochen, was vor mehr als zwei Monaten auf der Minerva vorgefallen war. Wie sie eines Nachts auf der Rückkehr vom Abort von einigen betrunkenen Seeleuten angesprochen worden sei, wie man sie gewaltsam hinter eine Seilrolle gezerrt habe und wie sich die Männer dort an ihr vergangen hätten. Sie hatte niemandem etwas verraten, weil man ihr gedroht hatte, sie dann umzubringen.  
    »Und jetzt«, endete Ann weinend, »trage ich ein Kind in meinem Bauch.«  
    Moira fehlten die Worte. »Bist du ganz sicher?«, fragte sie schließlich. Ihr Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen. Und sie hatte das Mädchen auch noch beschimpft!  
    Ann nickte. »Ich muss mich jeden Morgen übergeben«, flüsterte sie. »Und meine Brüste tun mir weh.« Sie fiel erneut vor Moira auf die Knie. »O bitte, Ma’am, ich weiß nicht mehr weiter. Ich kann dieses Kind nicht bekommen!«  
    Das war auch Moira klar. Aber sie konnte Ann nicht zu einer

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