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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Dreispitz vom Kopf, öffnete die Knopfleiste und begann, den schweren Mantel auszuziehen.  
    Duncan beobachtete sie wortlos. Erst als sie den Mantel vom Karren schleudern wollte, fiel er ihr in den Arm. »Nicht! Was soll das?«  
    »Ich stinke nach ihm!«  
    »Wir werden den Mantel noch brauchen.«  
    Im ersten Moment wollte Moira widersprechen, dann lenkte sie ein. Er hatte ja recht. Als sie den zusammengelegten Mantel unter den Kutschbock schob, entdeckte sie dort McIntyres Arzttasche. Noch etwas, das sie brauchen konnten?  
    »Bist du sicher, dass Dr. Wentworth uns helfen wird?« Duncan strich sich mit einer Hand die nassen Haare aus dem Gesicht.  
    Moira nickte. »Ganz sicher. Er hat mir seine Unterstützung mehrfach angeboten. Und Dr. Wentworth steht zu seinem Wort. Außerdem bin ich mit seiner Frau befreundet.« Sie lächelte schwach. »Catherine war selbst ein Sträfling, als sie hierherkam.«  
    Möglicherweise wusste Wentworth ein Versteck, in dem sie für die nächste Zeit bleiben konnten und wo man sie nicht suchen würde. Und sicher würde er ihnen Geld geben – das sie natürlich zurückzahlen würden, sobald sie dazu in der Lage wären.  
    Als sie sich Wentworths Anwesen näherten, kamen sie durch ein Waldstück. Beim Anblick der regennassen Bäume stiegen Erinnerungen in Moira auf. Nicht allzu weit von hier entfernt, mitten im stockdunklen Busch, hatten Duncan und sie sich zum ersten Mal geküsst. Das war jetzt drei Monate her. Inzwischen war es Frühling, und alles stand in voller Blütenpracht.  
    Die Bäume öffneten sich und gaben den Blick auf Wentworths Farmhaus frei, vor dem orange und rot leuchtende Blumen in fantastischen Formen wuchsen. Duncan fuhr den Karren vor die Ställe und band das Pferd an einen Pfosten, dann stiegen sie vom Kutschbock.  
    Alles war ruhig. Zu ruhig. Niemand fragte sie nach ihrem Begehr, niemand erbot sich, ihnen zu helfen. Kaum ein Laut war zu hören, kein Kinderlachen ertönte. Die Mittagszeit war bereits vorüber, es hätte reges Treiben herrschen müssen. Hatten Eingeborene die Farm überfallen? Nein, nirgends gab es Spuren von Gewalt, der Hof war sauber gefegt, und jetzt sah sie auch zwei Sträflinge, die mit der Reparatur eines Zauns beschäftigt waren.  
    Was war hier los? Waren Wentworth und seine Familie womöglich gar nicht da? Aber wieso stand dann seine Kutsche neben den Ställen? Zögernd trat sie näher, ging auf die Veranda und öffnete die Tür.  
    »Dr. Wentworth?«, rief sie ins Haus hinein. Und noch einmal, etwas lauter.  
    Keine Antwort. Eine unbestimmte Furcht kroch in ihr hoch wie eine Schlange. Duncan trat neben sie.  
    »Irgendetwas stimmt hier nicht«, sagte sie leise. »Komm.«  
    Er zögerte. Als Sträfling durfte er das Haus nicht ohne weiteres betreten. Dann gab er sich einen Ruck und trat hinter ihr ein.  
    Der Salon war leer. Sie hörte ein Geräusch, wie ein Scheppern von Gläsern. Duncan deutete nach rechts.  
    »Dr. Wentworth? D’Arcy?« Moira spähte in den Raum zur Rechten.  
    Er stand mit dem Rücken zu ihnen, vor einer Anrichte mit verschiedenen Getränkekaraffen, und goss sich gerade ein Glas ein. Moira fiel ein Stein vom Herzen.  
    »Gott sei Dank! Dr. Wentworth, entschuldigt unser Eindringen, aber wir –«  
    Er drehte sich langsam um. Sein Blick war so glasig, dass sie nicht sicher war, ob er sie überhaupt erkannte. Schwankend stützte er sich an der Kante der Anrichte ab. Dann begann er zu weinen.  
    Erschrocken ging sie zu ihm. »D’Arcy! Was ist denn los?«  
    »Catherine«, murmelte er.  
    »Was ist passiert? So redet doch!«  
    Wentworth ließ seinen Arm sinken. Das Glas fiel aus seiner Hand und zerschellte auf dem Boden. Er beachtete es nicht.  
    »Sie ist vom … Pferd gefallen«, flüsterte er weinend. »Heute Morgen. Sie ist … tot. Catherine ist tot!«  
    Moira stand da wie gelähmt. Das konnte, das durfte nicht sein! Nicht Catherine, nicht diese vor Leben sprühende Frau, die so gerne gelacht hatte. In diesem Moment war Moiras eigene Not vergessen, war sie nur erfüllt von Trauer und Mitgefühl.  
    »O D’Arcy, das … das ist ja furchtbar! Es tut mir so leid.« Ob sie irgendetwas für ihn tun könne, hätte sie fast gefragt, schluckte es aber im letzten Moment herunter. Und jedes Wort des Trostes hätte hohl in ihren Ohren geklungen. Sie konnte gar nichts für ihn tun. Und er auch nichts für sie.  
    Wentworths unsteter Blick richtete sich auf sie, glitt dann hinüber zu

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