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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Schiff.«  
    »Nein, nicht dieses China.«  
    »Gibt es noch ein anderes?«  
    »Samuel und die anderen nannten es so. Eine Siedlung weißer Menschen, im Westen, gleich hinter den Blue Mountains. Angeblich ist es nicht weit, nur wenige Tagesreisen, sobald man die Straße gefunden hat. Samuel wollte immer dorthin.«  
    »Samuel? Dein riesenhafter Freund, der aussieht, als könnte er einen Schädel mit einer Hand zerquetschen?«  
    Duncan nickte. »Er meinte, er hätte die Straße schon gesehen.«  
    »Eine Siedlung weißer Menschen …« Wieso eigentlich nicht? Dies hier war neues, unerforschtes Land. Was sprach dagegen, dass hinter den Bergen solch ein Ort lag? Sie brauchten ein Ziel. Und diese vage Hoffnung war zumindest besser als nichts.  
    »Gut«, sagte sie, neuen Mut schöpfend. »Auf nach Westen.«  
    *  
    Die Nacht verbrachten sie unter dem Karren, leidlich geschützt vor dem erneut einsetzenden Regen und eng aneinandergeschmiegt unter McIntyres Mantel. Trotzdem fror Moira entsetzlich. Sie hätte nicht erwartet, dass es im Frühling noch so kalt sein würde. Aber wenn das der Preis für ihrer beider Freiheit war, dann wollte sie ihn gern bezahlen. Es wäre schließlich nur eine vorübergehende Unannehmlichkeit.  
    Sie kamen nicht so schnell voran, wie Moira gehofft hatte. Einmal mussten sie umdrehen und eine ganze Strecke zurückfahren, weil ihnen ein paar umgestürzte Bäume, auf denen dichtes Moos wuchs, den Weg versperrten. Dann tauchte ein breiter Fluss vor ihnen auf – der Hawkesbury, vermutete Moira. Den halben Tag fuhren sie auf der Suche nach einer möglichen Furt am Ufer entlang und mieden dabei die wenigen, weit voneinander entfernt liegenden Farmen, die in der Nähe des Flusses errichtet worden waren. Auf dem Flickwerk der abgeernteten Felder stand der Mais nur noch einen Fuß hoch in breiten, geraden Reihen.  
    Der Weg war uneben und schlammig, und manches Mal mussten sie einen Umweg fahren, um überhaupt weiterzukommen. Nie verloren sie jedoch die Berge aus dem Blick, die sich im Westen erhoben, umhüllt von jenem dunstigen, blauen Schimmer, der ihnen den Namen gegeben hatte. Dahinter lag ihr Ziel. Sie mussten nur die Straße finden, die dorthin führte.  
    Am Vortag hatten sie McIntyres bauchige Arzttasche durchsucht, aber außer einem kleinen Skalpell und Verbandmaterial nichts Brauchbares gefunden. Auch nichts zu essen oder wenigstens ein Zunderkästchen. Das Stück Kuchen, das Duncan mitgenommen hatte, war längst verzehrt. Dennoch fühlte Moira sich zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich frei. Und manchmal kam sie sich vor wie in der Kulisse eines Theaterstücks – als passiere das alles gar nicht ihr, sondern einer anderen Person, der sie nur dabei zusah.  
    Die einzigen Menschen, die sie erblickten, waren Eingeborene. Einmal glaubte Moira, in einem Schatten zwischen den Bäumen Julys blonden Haarschopf erkannt zu haben, aber dann entpuppte es sich nur als bräunliches Blattwerk. Ob Julys Stamm hier irgendwo wohnte? Nein, das wohl nicht. July würde sich nicht so weit von den Ihren entfernen, die doch sicher irgendwo in der Nähe von Toongabbie ihr Lager hatten.  
    *  
    »Da hinüber sollen wir?« Moira blickte skeptisch auf die breite Wasserfläche, die sich vor ihnen erstreckte. Aber wenn sie in die Berge wollten, mussten sie den Fluss überqueren, das war auch ihr klar. Und hier, in dieser breiten Mulde, schien das Wasser niedrig genug zu sein, um den Übergang zu wagen. Der Regen hatte aufgehört, aber schon standen wieder dunkle Wolken am Himmel. Der Wasserpegel würde bald steigen.  
    Sie saß auf dem Kutschbock, die Zügel in der Hand, und trotz des schweren Mantels überlief sie ein Schauer. Wie gerne hätte sie jetzt etwas Warmes gegessen oder wenigstens eine heiße Tasse Tee getrunken. Außer ein paar Schlucken kaltes Wasser aus einem der zahlreichen Bäche hatte sie nichts im Magen. Duncan, der abgestiegen war, drehte sich um und schickte ihr ein kurzes Lächeln, und sofort fühlte sie sich besser. Dann führte er das Pferd in den Fluss. Der Karren rumpelte schwerfällig hinterher.  
    Schon nach wenigen Schritten reichte das Wasser dem Pferd bis zum Bauch, die Räder des Karrens verschwanden zur Hälfte in den Fluten.  
    »Hier ist eine starke Strömung«, stellte Duncan kurz darauf fest, bis zur Taille im Wasser.  
    Moira spürte es auch; das Wasser drückte gegen den Karren, als wollte es versuchen, die unwillkommenen Eindringlinge flussabwärts zu

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