Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
trocken, und sie wusste, dass sie sie bei ihren Bemühungen unterstützen würden.
Ein, zwei Mal hätte er sich fast von ihr losgerissen, aber für Sarah war es ein Kampf, den sie gewinnen musste. Hatte sie nicht das Recht auf ihrer Seite? Nach kurzer Zeit wurde sein Strampeln schwächer, und seine Lungen begannen sich mit Salzwasser zu füllen. Sie ließ seine Jacke los und wandte sich ihm zu. Elijah musste wissen, dass sie da war. Er musste wissen, dass sie dafür verantwortlich war. Nur so konnte ihr Rachegefühl befriedigt werden.
Sie sah, wie Luftblasen aus seiner Nase aufstiegen, sah, wie er den Mund öffnete, verzweifelt, lebensspendende Luft einzuatmen, und doch nur noch weiteres Meerwasser aufnahm. Seine Arme standen jetzt im rechten Winkel vom Körper ab, doch er bewegte sie nicht mehr, dennoch spürte sie in ihm noch einen Rest Lebenskraft.
Die Rache ist mein bis in alle Ewigkeit! Sie projizierte den Fluch, den sie schon vor Wochen über ihm ausgesprochen hatte, in seinen Kopf und verfolgte, wie er die Augen aufriss.
Was zum …! Elijah erkannte Sarahs geisterhaftes Gesicht dicht vor seinem eigenen, und seine Züge verzerrten sich vor Angst. Wie konnte sie hier sein? Er hatte sie mit seinen eigenen Händen umgebracht, und ihre Leiche lag in der Erde Norfolks begraben. Wie also …? Und was hatte sie vor? Er versuchte, von ihr weg und nach oben zu kommen, aber sein Körper war zu schwer, seine Lungen mehr als zur Hälfte mit Salzwasser gefüllt, seine Kleidung ein totes Gewicht, das ihn nach unten zog, immer tiefer.
Sein Mund öffnete sich in einem stummen Schrei des Entsetzens, als sie ihn rachsüchtig anfunkelte, doch er stieß nur noch mehr kostbare Luftblasen aus. Was war das mit Rache? Sein Gehirn war fast schon zu verwirrt, um zu begreifen, was sie ihm eingegeben hatte, doch irgendwo im letzten Rest wachen Bewusstseins erfasste er die Botschaft. Sie , musste er zugeben, bevor ihn eine vernichtende Dunkelheit umgab, hatte die letzte Schlacht gewonnen. Im Leben wie im Tode – seinem eigenen – hatte sie ihn besiegt. Wieder.
Sarah sah zu, bis die letzten Luftblasen nach oben gestiegen waren. Sie wartete, bis seine vor Entsetzen geweiteten Augen brachen und er ganz ruhig wurde.
Drei Tage lang hatte Jessica im Cassell Cottage Ruhe, nachdem Simon aus Sydney zurückgekehrt war. Es hatte ihnen gutgetan, sich ein paar Tage lang nicht zu sehen, und Simon schien nicht mehr so kritisch und ungeduldig. Bis zum vierten Morgen …
Jessica wollte gerade das Frühstück bringen und ging hinaus in den Wintergarten, um sich ein frisches Abtrockentuch vom Wäschestapel zu holen, den sie gestern dort abgelegt hatte.
Zu ihrem Erstaunen war das Bild, an dem sie gerade arbeitete, der Blick von Simon's Waters, von der Staffelei genommen worden, und an seiner Stelle stand das Bild mit den Gesichtern . Ein drittes Gesicht war mit Farbe ausgemalt worden, der Ausdruck bis ins Detail vollendet. Und wie zuvor hatte sie keine Erinnerung daran, dass sie es getan hatte. Irgendwie schaffte sie es, die aufsteigende Angst zu bekämpfen, die sie zu überwältigen drohte. Das hast du nicht getan, sagte sie sich. Das ist Sarahs Werk, dessen war sie sich jetzt sicher.
Mehrere Minuten lang studierte sie aufmerksam das Gesicht und versuchte, herauszufinden, ob sie es aus einem ihrer Träume kannte. Aber sie konnte sich nicht daran erinnern. Es war ein schmales, kantiges Gesicht, das Haar des Mannes war tiefschwarz und lang und fiel ihm in Wellen auf die Schultern. Ein dichter, überlanger Schnurrbart hing ihm zu beiden Seiten des Mundes herunter. Auch seine Augen waren dunkel, fast schwarz, und er wirkte insgesamt, als betrachte er die Welt ziemlich zynisch. Wie die anderen Figuren trug auch er eine rote Jacke mit einem weißen Lederriemen und gelben Epauletten.
»O Jesus, nicht schon wieder einer!«, ertönte Simons verärgerte Stimme dicht hinter ihr. »Der ist ja fast so hässlich wie der Erste!« Er hielt inne und fragte: »Kannst du mir sagen, wie der Kerl heißt?«
»Nein«, entgegnete sie ruhig.
»Jessica, das hier wird echt beunruhigend.«
»Ich weiß.«
»Und? Was wirst du tun?«
Traurig bemerkte sie, dass er nicht wir gesagt hatte, was bedeutete, dass sie mit diesem Problem allein dastand. Sie stieß einen langen Seufzer aus, bevor sie sprach. »Ich weiß nicht. Ich denke, ich werde Marcus anrufen und ihn bitten, sich das anzusehen. Vielleicht fällt ihm etwas dazu ein.«
»Ich kann dir auch hier und jetzt etwas
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