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Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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zerzauste. Draußen auf dem Meer wurde das Licht vor dem nahenden Sonnenuntergang fahl. Zufrieden seufzte sie. Die letzten Tage hatten sie belebt, und sie fühlte sich stärker als seit Wochen. Ein kühler Windstoß vom Wasser her ließ sie unter dem dünnen Sweatshirt frösteln.
    Sie schaute den Hügel weiter hinauf und sah etwas Merkwürdiges. Oder spielte ihr das Dämmerlicht, das durch die Pinien fiel, einen Streich?
    Was war das? Ein Nebelstreifen.
    Eine Dunstwolke hatte sich neben einem umgestürzten Baumstamm und einem Haufen Steine gebildet, doch je genauer sie hinsah, desto seltsamer wurde es. Die Wolke hatte eine grauweiße Farbe, aber sie schien von innen zu leuchten, so als ob die Sonnenstrahlen davon reflektiert wurden. Neugierig und ein bisschen schwer atmend ging Jessica darauf zu, wobei sie gar nicht bemerkte, dass ihr mit jedem Schritt kälter wurde und dass der Nebel, der zunächst unbeweglich gewesen war, sich zu bewegen und die Form zu ändern begann. Er wurde über anderthalb Meter hoch und bekam Konturen, helle und dunkle Flecken. Als sie nur noch zehn Meter davon entfernt war, hatte er die Gestalt einer Frau angenommen.
    Jessica blieb wie angewurzelt stehen. Mein Gott, was war das? Doch sie ahnte es bereits …
    Vor ihr stand ein Abbild von Sarah O'Riley. Sie erkannte ihr Gesicht und ihre Gestalt aus ihren Träumen. Mit einer Art fasziniertem Horror – ihre Kehle wurde trocken, ihr Atem blieb fast stehen angesichts dieses Phänomens, und ihr Herz schlug Purzelbäume – sah sie, wie sie ein grauer Arm heranzuwinken schien.
    » Komm, Jessica. Hab keine Angst. «
    Die rauschenden Pinien über Jessica schienen die Worte in ihrem Kopf zu verstärken, und sie wusste genau wie beim ersten Mal, dass Sarah telepathische Fähigkeiten hatte. Doch wie konnte sie … und warum?
    Sie machte einen zögernden Schritt und hielt dann wieder an. Nein. Das war zu seltsam. Verwirrt strich sie sich mit einer Hand über die Augen, als ob sie das Bild wegwischen wollte, da keine vernünftige, gesunde Person sehen konnte, was sie sah.
    »Was willst du von mir, Sarah?«
    Mein Gott, hatte sie das wirklich laut gesagt? Zu einem Nebelstreifen, der plötzlich fast menschlich aussah? Vielleicht spielten ihr ihre Augen einen Streich, und sie bildete sich die Gestalt nur ein, glaubte nur, in dieser Form Sarah zu sehen. Sie schloss fest die Augen und versuchte, das Bild mit der Kraft ihrer Gedanken zu verdrängen.
    » Mädchen, komm näher, damit ich es dir sagen kann. Ich will dir was zeigen. «
    Diese in einem Singsang hervorgebrachte Aufforderung ließ Jessica wieder die Augen öffnen. Die Gestalt im Nebel wurde klarer, während ein Licht davon ausging. Sie versuchte, keine Angst zu haben. Sie versuchte es wirklich. Tief im Inneren wusste sie, dass, was auch immer das war, Sarah oder womöglich ein gestörter Teil ihrer eigenen Persönlichkeit, ihr keinen Schaden zufügen wollte. Dennoch wandelte sich ihre anfängliche Faszination mit jeder Sekunde in eine lähmende Angst, die bis weit in ihre Kindheit zurückreichte und zu den Geister- und Gruselgeschichten von damals. Gerne wollte sie akzeptieren, dass sie etwas Übernatürliches sah. Doch der gebildete Teil ihres Gehirns lehnte diese Möglichkeit ab und hatte, höchstwahrscheinlich trotz all seines Intellekts und Wissens, einfach Angst vor dem Wesen, das dort am Fuße der majestätischen Norfolk-Pinie schwebte.
    »Ich kann nicht.«
    » Du musst, meine Liebe. «
    Winzige Schweißperlen bildeten sich auf Jessicas Stirn. Ihre Handflächen wurden so feucht, dass sie sie an ihren Jeans abwischte. Der Aufruhr in ihrem Kopf machte sie schwindelig. Die Neugier, sich der Manifestation von Sarah zu nähern, kämpfte mit einer natürlichen Furcht davor, dem Glauben, dass sie sich in Gefahr begab, wenn sie dem nachgab. Schließlich siegte die Furcht vor dem Un be kannten, und blinde, unvernünftige Panik gewann die Oberhand.
    Sie wandte sich ab, und nicht wissend, dass Marcus den Hang zu ihr heraufkam, begann sie hinunterzulaufen, so schnell sie ihre Füße tragen konnten. Er fing sie auf, als sie über eine Baumwurzel stolperte.
    » Geh nicht, Jessica! «
    Sie sah ihn verängstigt an. »Hast du gehört, was sie gesagt hat?«
    Marcus runzelte die Brauen und spähte zwischen den Pinien hindurch. Er konnte niemanden sehen oder hören außer Jessica. »Hier ist niemand außer uns.«
    »Sie war hier«, schluchzte Jessica an seiner Brust, während sie sich an ihn klammerte. »O Gott,

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