Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
Tiefen richtete in seinem Inneren merkwürdige und wunderbare Dinge an. In ihren Augen lag ein Vertrauen, das ihn fast beschämte. Und er war wirklich stolz auf sie, denn sie hatte großen Mut bewiesen, sich der Hypnose zu unterziehen. Mit dem Ergebnis war er außerordentlich zufrieden. Mehrere Punkte hatten geklärt werden können, und er hatte noch weitere Namen, nach denen er forschen konnte. Langsam löste sich das Rätsel und lief auf einen Höhepunkt zu. Und der würde kommen, wenn Sarah das vierte Gesicht gemalt hatte, da war er sicher.
Simon fuhr wie ein Besessener. Zuerst hatte er kein bestimmtes Ziel, doch als sich die Dunkelheit über die Insel senkte, wurde ihm klar, wohin er fuhr. Sue Levinskis Wohnung, denn er wusste, dass sie um sechs Dienstschluss hatte. Er musste mit jemandem reden, um die Sache loszuwerden, und wer war dazu besser geeignet als Sue? Sie hatte Verständnis für sein Problem gezeigt. Hatte sie das nicht von Anfang an? Er nickte bestätigend, während er fuhr.
Aus Gewohnheit verschloss er die Autotür, bevor er die Stufen hinaufging, und da er Licht hinter der Glasscheibe sah, klopfte er an.
»Simon!«, rief Sue erschrocken. »Was ist los? Sie sehen ja schrecklich aus. Kommen Sie herein!«
»Vielen Dank. Es ist furchtbar. Haben Sie etwas zu trinken?«
»Southern Comfort?«
»Sehr gut. Ich würde auch Kochwein nehmen, wenn es nichts anderes gibt.«
Sie füllte ein Glas zur Hälfte mit dem Alkohol, fügte ein paar Eiswürfel hinzu und reichte es ihm. Ihre Augenbrauen hoben sich aus Überraschung oder Bewunderung, als sie beobachtete, wie er die Flüssigkeit ohne die Eiswürfel hinunterstürzte. Sie füllte das Glas auf und bedeutete ihm, sich auf das Sofa zu setzen. Dann wartete sie, bis er sprach.
Nun am Alkohol nippend, sagte er: »Gott, das habe ich gebraucht. Ich … ich komme gerade von den Hunters.«
»O ja! Wie lief es denn mit der Hypnose?« Sie persönlich war der Meinung, dass nur Menschen mit einem schwachen Willen hypnotisiert werden konnten, und sie war sich nicht einmal sicher, ob Marcus dazu überhaupt in der Lage war.
»Es hat mich zu Tode erschreckt«, bekannte er mit brutaler Offenheit. »Marcus hat Jessica hypnotisiert und sie durch verschiedene Stadien ihrer Vergangenheit bis in ihre Kindheit zurückgeführt. Und dann kam auf einmal diese fremde Stimme aus ihrem Mund …« Er sah Sue an und schüttelte den Kopf, als ob er es immer noch nicht glauben könnte. »Das war Sarah!«
»Oh, wirklich!« Sue musste ein Lächeln unterdrücken. Was für einen Hokuspokus zog Marcus da ab, und warum? Sarah O'Riley, also wirklich. Was für ein Unsinn!
»Das hat mich völlig umgehauen, Sue. Diese Stimme war völlig anders als die von Jess, und sie hatte einen irischen Akzent und sprach von Dingen, die vor über hundert Jahren passiert sind.«
»Und Sie sind sich sicher, dass das nicht nur geschauspielert war? Vielleicht wollte Jessica Sie alle hereinlegen?«
Er nickte. »Zuerst wusste ich nicht, was ich davon halten soll. Sarah hätte ja eine der gespaltenen Persönlichkeiten von Jessica sein können, oder vielleicht war es auch eine Halluzination. Aber Marcus ist tatsächlich auf der richtigen Spur. Sarah ist eine Art Geist, der einen Teil von Jessicas Leben übernommen hat.«
»Aber wozu?«, fragte Sue, während sie sein Glas erneut füllte.
»Das wollte sie nicht sagen. Sie ist richtig wütend geworden, als Marcus sie direkt danach gefragt hat. Ich kann nur sagen, das Ganze war verdammt seltsam. Es hat mich fast wahnsinnig gemacht vor Angst. Ich habe es nicht mehr ertragen, also bin ich gegangen.«
»Armer Simon. Es muss schrecklich für Sie gewesen sein«, versuchte sie ihn zu trösten. Sag das Richtige. Lass ihn denken, dass du mit ihm fühlst.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll … Ich habe ein geordnetes Leben geführt, alles lief genau nach Plan, bis wir hierher gekommen sind. Und jetzt ist auf einmal alles anders. Ich habe mich verändert. Jessica hat sich verändert. Es ist, als ob man in einem nicht enden wollenden Albtraum lebt«, endete er, sich selbst bemitleidend, und lehnte den Kopf ans Sofa.
»Haben Sie schon gegessen?«, fragte sie, und als er den Kopf schüttelte, stand sie auf und bot ihm an: »Ich mache Ihnen schnell etwas. Sie werden sich besser fühlen, wenn Sie etwas im Magen haben.« Das hatte ihre Mutter immer gesagt.
Als sie aufstand und zur Kochnische ging, fiel ihm erst auf, wie spärlich sie bekleidet war. Sie trug lediglich ein
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