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Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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zusah, was geschah. Sie erkannte noch, dass er dazugehören musste, doch nur Sekunden später wurde ihr der Sack grob über den Kopf gezogen, und ein Mann warf sie sich über die Schulter.
    »Los, Mann, lass uns verschwinden. Und du, Timothy, mach die Küchentür zu.«
    Sarahs Körper versteifte sich, als sie die Stimme erkannte. Thomas Dowd. Die schleimige Schlange! Was hatten diese Männer mit ihr vor? Ihr Herz schlug wild vor Panik, als der, der sie wie einen Sack Mehl trug, die Stufen neben dem Haus hinunterrannte. Großer Gott, was hatten sie nur vor? Sie wand sich in dem Bemühen, den Mann, der sie trug, aus dem Gleichgewicht zu bringen.
    »Verhalt dich ruhig, du Luder!«
    Etwas Hartes, wahrscheinlich eine Faust, traf sie seitlich am Kopf und machte sie ein paar Sekunden lang benommen. Als ihr Kopf wieder klar wurde, begann sie zu schreien und zu rufen, doch durch den stinkenden, ekligen Knebel drang kaum ein Laut hindurch.
     
    Jessica erwachte mit einem Ruck, am ganzen Körper zitternd. Sie erblickte Simon ausgestreckt neben sich und fragte sich unbeteiligt, wann er wohl ins Bett gekommen war. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, glitt sie aus dem Bett, fand ihre Pantoffeln und ging in die Küche.
    Gott, was für ein schrecklicher Traum! Wie die anderen war er so lebendig, so real gewesen! Waugh, Dowd, McLean, und jetzt wusste sie auch mit Sicherheit, wer der vierte Mann war, dessen Gesicht im Bild noch unfertig war. Sarah hatte seinen Namen bereits in der Hypnosesitzung erwähnt: Timothy Cavanagh. So etwas wie ein unterbewusster Drang ließ sie in den Wintergarten gehen, wo sie das Bild, an dem sie arbeitete, von der Staffelei nahm und es durch das andere Bild ersetzte. Ein Mondstrahl beleuchtete die Gesichter der Männer mit einem gespenstischen Licht, und mit von ihrem Traum immer noch heftig klopfendem Herzen setzte sie sich der Staffelei gegenüber und studierte die einzelnen Gesichter sorgfältig.
    Waughs Härte, seine Rattenschläue und sein »Hol's der Teufel«-Ausdruck hatte Sarah meisterlich eingefangen, da sie den Mann gut kannte. Dowd hingegen hatte den Anschein eines Mitläufers, doch irgendetwas in seinen Augen, ein rücksichtsloses Leuchten, verwies auf einen schlechten Charakter.… Und dann noch McLean. Wenn er sich das störrische Haar frisiert, sich rasiert und gut angezogen hätte, hätte sie ihn sich unter anderen Umständen gut in einem Londoner Spielclub vorstellen können. Doch der zynische Zug um seinen Mund und die »Leblosigkeit« in seinen Augen verrieten ihn als einen Mann, dessen Skrupellosigkeit ihn völlig gefühllos und unbarmherzig machten. Von dem vierten Gesicht, dem von Timothy, wusste sie, dass es sich stark von dem der anderen unterscheiden würde.
    O Sarah, was haben sie dir angetan? Sie hatte fast Angst, sich diese Frage zu stellen, denn sie ahnte bereits die Antwort … etwas unvorstellbar Böses.
    Jessica zitterte, als sie ein kühler Luftzug traf. Sie versteifte sich im Sessel, da sie die Zeichen mittlerweile kannte. Sarah war in ihrer Nähe, sehr nahe. Sie sollte Angst haben, wie früher, aber seltsamerweise blieb dieses Gefühl aus. Es war fast so, als seien sie irgendwie Freundinnen geworden. Sie wartete …
     
    In den dunklen Schatten des Wintergartens lauernd beobachtete Sarah, wie Jessica das Bild studierte. Der Gesichtsausdruck der Frau spiegelte deutlich ihre Gedanken wider. Sie spürte, dass sie dieses Mal vielleicht dazu bereit war, zu akzeptieren, was ihr vor ein paar Monaten noch völlig unmöglich gewesen wäre.
    » Hallo Jessica. «
Jessica wurde steif, blieb aber im Sessel sitzen.
»Sarah?«
    » Ja. «
    Im Raum gab es kein anderes Geräusch als ihren eigenen Atem, dennoch hörte sie sie Antwort der Frau irgendwo in ihrem Kopf. »Wo bist du?«
    » Neben dem Tisch. «
    Jessica wandte den Kopf und bemühte sich, etwas zu erkennen. Langsam begann sich links vom Tisch ein leichter Nebel zu bilden. Die Dunstwolke schwebte und pulsierte, bis die Gestalt einer Frau in einem langen Kleid mit langen Ärmeln sichtbar wurde.
    Einen Augenblick lang wagte Jessica nicht zu atmen. Sie erkannte die Gestalt, das Haar, die Art, wie sie stand, stolz, selbstbewusst. Es war Sarah, die Frau, die sie verfolgt, verwirrt und verängstigt hatte. Aber jetzt nicht mehr. Im Moment hatte sie keine Angst, aber sie verharrte schweigend, aus Respekt vor dem, was sie das Privileg hatte, zu sehen: Ein Wesen aus der Welt jenseits dieses Lebens zeigte sich ihr.
    »Du bist es«, flüsterte

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