Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
Simon vorbei war? Weil es so war oder … weil es in Wirklichkeit nicht so war?
Da ihre Konzentration gestört war, setzte sich Jessica im Wohnzimmer aufs Sofa. Sie ließ den Kopf gegen das Polster sinken und schloss die Augen. Was sollte sie tun? Wäre sie eine Klientin mit ihrem Problem und wüsste, wie sie in dieser Situation empfand, was würde sie dieser Klientin theoretisch raten?
Es schien sinnlos, den Schmerz noch zu verlängern und eine Lüge zu leben, vorzugeben, dass es sich lohnte, ihre Ehe zu retten, auch wenn es nichts mehr zu retten gab, wenn sie ganz ehrlich mit sich selber war.
Aber … was war mit den schönen Zeiten? Ihre vielen Ehejahre zusammen, was war mit dem Leben, das sie mit Damian geteilt hatten? Erinnerungen …
Konnte ein Betrug eine Ehe zerstören? Oder war die Affäre nur der Höhepunkt gewesen, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, wie man so schön sagte? Was machte das allerdings für einen Unterschied? Sie fühlte sich emotional leer, ausgehöhlt, ohne jedes Gefühl für Simon. Wie in Gottes Namen konnte sie das wiederbeleben, wenn nicht einmal mehr ein kleiner Funke existierte, von dem sie ausgehen konnte?
Jessica hatte keine Ahnung, wie lange sie dort gesessen und gegrübelt hatte, aber als sie sich schließlich zusammenriss und aufstand, stand ihr Entschluss fest.
Jessica schlief allein in dem großen Bett und warf sich unruhig herum, als der Traum immer lebendiger wurde.
… Vier Männer in Uniformen standen im Dämmerlicht dicht zusammen, verborgen in einem Gebüsch mit tiefhängenden Zweigen.
»Ich sag's euch, ich hab sie seit einer Woche fast jeden Tag beobachtet. Sie spielt ein bisschen mit der Kleinen, bis sie sagt, es sei Zeit, ins Bett zu gehen, und sie nach drinnen bringt«, erzählte Dowd den anderen. »Dann kommt sie mit einer Tasse Tee raus und trinkt sie da auf dem gepflasterten Hof neben dem Gemüsegarten, bevor es dunkel wird. Ich sag euch, die geht regelmäßiger als eine verdammte Uhr.«
»Das … das kann ich bestätigen«, warf Timothy Cavanagh zögernd ein. »M-Maude s-sagt, sie hat ihre Gewohnheiten, von denen sie selten abweicht.«
»Das ist gut«, murmelte Elijah und runzelte die Stirn. »Hier hinter dem Haus gibt es eine Menge dunkler Stellen, wo ihr euch auf die Lauer legen könnt.« Er rieb sich über den linken Ärmel, denn unter dem Material war sein Arm dick bandagiert und begann zu jucken. Er hatte sich im Holzfällerlager selbst eine Wunde beigebracht, sodass dem Sergeanten nichts anderes übrig blieb, als ihn nach Kingston ins Lazarett zurückzuschicken, aus dem er sich später unbemerkt hinausgeschlichen hatte, weil sich der Assistent des Arztes, überarbeitet und missgelaunt, mit einer Flasche Rum bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hatte.
»Elijah«, sagte Timothy, dessen Adamsapfel auf seiner dürren Kehle auf und ab hüpfte. »Ich weiß nicht, ob ich das t-tun kann.«
Elijah sah ihn kriegerisch an. »Tim, mein Junge, was sagst du denn da? Der Plan steht, es ist alles bereit. Heute Abend ist es so weit, das weißt du doch. Habt ihr nicht gehört, dass ein Schiff in Sicht ist? Es wird wahrscheinlich in den nächsten Tagen anlegen, und dann werde ich an Bord gehen und nach Sydney Town zurückgebracht.«
Rupert McLean, der bislang geschwiegen hatte, stieß den Jungen in die Rippen. »Was ist los mit dir, Kleiner? Wir wollen doch nur ein bisschen Spaß!«
»Aber, aber …«
Mit einer Hand ergriff Elijah Timothy am Hemd, mit der anderen packte er ihn am Hals und drückte ihm die Kehle zu, bis die Augen seines Komplizen vor Angst fast aus den Höhlen sprangen. »Krieg jetzt nur keine kalten Füße, Junge! Du hast eine wichtige Aufgabe bei unserem Plan zu erfüllen!« Er verstärkte den Druck auf den mageren Hals, bis Timothy zustimmend nickte.
»Gut«, meinte Elijah zufrieden. Er blickte zum Haus des Captains und sah, wie dort die Lichter angezündet wurden. Dann funkelte er die anderen der Reihe nach an. »Ihr wisst alle, was ihr zu tun habt. Also los!«
Meggie war an diesem Abend ungewöhnlich aufsässig, und es dauerte eine Weile, bis sie eingeschlafen war. Eine Weile blieb Sarah in der offenen Tür stehen und betrachtete das schlafende Kind in der Wiege neben ihrem eigenen schmalen Bett. So friedlich, so unschuldig und so wunderschön war ihr Kind. Ihr Herz schwoll vor Stolz an, und einen Moment lang wünschte sie sich, Will würde neben ihr stehen, um ihre Freude über das, was sie zusammen
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