Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
halbwegs gute Bilder fertig zu stellen. Nan war beeindruckt und hatte ihr geraten, sie zu einer Galerie in der Taylors Road zu bringen, um zu fragen, ob sie sie ausstellen wollten. Wenn sich die Dinge etwas beruhigt hatten, würde sie das vielleicht sogar tun.
Als es an der Vordertür klopfte, legte sie die Palette ab, wischte sich die Hände an einem Tuch sauber und ging nachsehen, wer das war. Ihre Augen weiteten sich erstaunt, als sie eine lächelnde, selbstbewusste Sue Levinski gewahrte.
»Wir sollten uns unterhalten«, sagte Sue seelenruhig und machte Anstalten, das Wohnzimmer zu betreten.
»Ich glaube nicht, dass es irgendetwas gibt, worüber wir uns unterhalten könnten«, gab Jessica steif zurück, ihr die Tür versperrend.
»Sie sind gemein zu Simon, und das kann ich nicht zulassen«, fuhr Sue fort, als ob sie Jessicas Bemerkung nicht gehört hätte. »Der Mann hat einen Fehler gemacht, um Himmels willen. Wollen Sie ihn deswegen auf ewig ans Kreuz nageln?«
»Wie mein Mann und ich uns in unserer Ehe verhalten, geht Sie nichts an, Miss Levinski . Und wenn Sie jetzt nicht freiwillig gehen, werde ich gerne Simon anrufen und ihn bitten, Sie zu entfernen.«
Sue kniff die dunklen Augen zusammen, als sie Jessica ansah und sich nervös auf die Unterlippe biss. »Tun Sie das nicht. Er weiß nicht, dass ich hier bin. Er … er würde nicht wollen, dass ich Sie besuche.«
»Ich will das ebenso wenig«, erwiderte Jessica eisig. Ihr Gesicht drückte deutlich ihre Ablehnung aus. »Sie haben sich Simons Vertrauen erschlichen. Sie haben ihn ausgenutzt. Sie sind ein emotionaler Geier, Sue.«
»Ich … ich wollte doch nur das Richtige tun.« Sue hörte sich an, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Ich wollte mich nicht zwischen Sie und Simon drängen. Es, Simon und ich, das war … ein großer Fehler.«
Würde die traumatisierte Jessica ihr diese reumütige Pose abkaufen?, fragte sie sich. Ihrer Meinung nach legte sie eine ziemlich gute Vorstellung hin, wenn man bedachte, dass sie kein Wort von dem meinte, was sie sagte. Simon war derjenige, dem Jessicas fortwährende unnachgiebige Haltung Sorgen machte. Allerdings nur, weil er ihr lukratives Aktienpaket brauchte, nicht weil er sie immer noch liebte. Er liebte jetzt sie, da war sie sich sicher. Aber was erwartete der Mann? Dass sich seine Frau auf ihn stürzte, wenn er aus den Armen einer anderen kam? Männer waren ja solche Narren!
»Bitte geben Sie ihm noch eine Chance, um Ihrer beider willen!«
Jessica seufzte absichtlich laut auf. »Würden Sie jetzt wohl bitte gehen? Ich möchte Ihnen ungern die Tür vor der Nase zuschlagen, aber Sie lassen mir keine andere Wahl.«
Überrascht von Jessicas Kühle trat Sue einen Schritt zurück. Wenn sie ihren Ton korrekt interpretierte, dann grämte sich diese Frau keineswegs händeringend wegen des Fehltrittes ihres Mannes, und es hatte sie auch nicht zum emotionalen Wrack gemacht. O nein! Ihrer Meinung nach zeig te Jessica Pearce ziemlich deutlich, dass es ihr relativ egal war, wohin ihr Mann strauchelte und ob er abends nach Hause kam oder nicht. Interessant. Sehr interessant!
Ihr Herz tat vor Freude einen Sprung. Jessica empfand gar nichts mehr für Simon, jedenfalls nicht das, was sie fühlen sollte. Die Ehe war tatsächlich im Eimer. Sie konnte das Lächeln kaum verbergen. Ihre Mission, Jessica direkt mit ihrer Gegenwart zu konfrontieren, war noch erfolgreicher, als sie gehofft hatte. Sie war zum Cassell Cottage gekommen, um Simons Frau davon zu überzeugen, dass zwischen ihr und Simon alles aus war, und ihre möglichen Befürchtungen zu beschwichtigen. Stattdessen hatte sie erfahren, dass es seiner Frau völlig egal war. Die einzige Frage, die sich jetzt noch stellte, und das ließ ihre Laune plötzlich in den Keller sinken, war, wie lange es wohl dauern würde, bis Simon seinen Marschbefehl bekam, wenn Jes sica so dachte. Aber selbst wenn, was würde das ändern? Das Einzige, was Simon noch im Cassell Cottage hielt, war ihr Geld. Wenn sie die Köpfe zusammensteckten, fanden sie gemeinsam vielleicht einen Weg, wie sie es ihr abnehmen konnten.
»Nun, dann gehe ich«, verkündete Sue so hoheitsvoll wie möglich und drehte sich auf dem Absatz um.
Jessica sah der dunkelhaarigen zierlichen Frau nach, bis sie sich in ihr Auto gesetzt hatte und davongefahren war. Kopfschüttelnd fragte sie sich, was das wohl zu bedeuten hatte. Warum hielt Sue es für nötig, sie davon zu überzeugen, dass ihre Affäre mit
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