Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
Jessica fast ehrfürchtig.
» O ja «, sagte Sarah und lachte dann. » Ich werde dich nicht beißen, meine Liebe, hab keine Angst. «
»Ich habe diesmal keine Angst.«
» Ja «, erwiderte Sarah. » Das glaube ich dir. «
»Wie? Warum?« So viele Fragen. Wo sollte sie anfangen?
» Es hat vor langer Zeit angefangen, wie du schon weißt, Jessica. Ich bin hier gefangen, nicht an einem Ort, aber auch nicht am nächsten … Bis du gekommen bist, hatte ich keine Hoffnung. Ich habe den Schmerz über den Verlust deines Kindes Damian gespürt … «
»Du weißt von Damian?«, fragte Jessica ungläubig, während sie eine heiße Welle von Schmerz durchfuhr, als sie den Namen ihres Sohnes aussprach.
Sarah nickte. »Ich weiß viele Dinge. Und ich kann deinen Verlust nachfühlen. Es ist so schrecklich, ein Kind zu verlieren, wie einen Ehemann. Meine Meggie war für mich auch verloren, genauso wie Will. Ich habe mich so oft gefragt, was aus meinem geliebten Kind wohl geworden ist.«
»Sie hatte ein gutes Leben, Sarah. Marcus«, erzählte Jessica nach einer kleinen Pause sehr leise, um Simon nicht zu wecken, »hat viel über sie herausgefunden. Die Stewarts haben sie adoptiert, und sie hat einen Mann namens Hunter geheiratet. Er hat sie als Margaret Hunter auf diese Insel gebracht, wo sie sechs Kinder bekam und ein langes, erfülltes Leben führte. Ihr Grab befindet sich am Südende des Friedhofs.«
» Ist das wahr? «, fragte Sarah erstickt. » Meine Meggie lebte hier auf Norfolk, und ich wusste es nicht! Es ging ihr gut, sagst du? War sie glücklich? «
»Ich glaube schon. Marcus' Nachforschungen brachten eine erstaunliche Verbindung zwischen euch beiden ans Licht. Margaret war seine Ururgroßmutter, womit Marcus mit dir verwandt ist.«
» Ohhh! « Sarahs irischer Akzent verriet ihr Erstaunen. » Weißt du, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, hat er mich an meinen Will erinnert. Die Art, wie er steht, wie er spricht. «
Jessica lächelte, erfreut, dass sie Sarah die Sorge um ihr Kind hatte nehmen können. Hätte sie sich besser konzentriert, wäre ihr vielleicht aufgefallen, wie merkwürdig es war, dass sie laut sprach, während sie Sarahs Antworten lediglich in ihrem Kopf hörte, aber sie war viel zu sehr in das Gespräch vertieft, das sich zwischen ihnen entwickelte. Sie unterhielten sich ganz natürlich, so als ob sie alte Freunde wären! Was sie in gewisser Weise ja auch geworden waren.
»Warum ich, Sarah?«
Ein paar Sekunden schwieg Sarah. »Du musst versuchen, mich zu verstehen, meine Liebe. Ich war hier – gefangen – so lange.« Sie zuckte beredt mit den Schultern und lächelte Jessica traurig an. »Vielleicht war es Teil meiner Strafe für das, was ich getan habe … mit ihnen. Ich weiß es nicht. Als du gekommen bist, habe ich die Chance gewittert … befreit zu werden, dass ich dich dazu benutzen könnte, und dass du Mitleid mit mir haben würdest, wenn ich dir nach und nach meine Geschichte erzähle.«
Jessica runzelte die Brauen. »Aber wie? Wie kann ich dir helfen. Was ist dein Anliegen, Sarah?«
» Es gibt … einen Ort. « Ihr Bild wurde schwächer und begann zu verblassen. Ihre Energie ließ verstörend rasch nach und entkräftete sie. » Bald … ist es so weit. «
»Bitte geh nicht!«
» Ich muss … mich regenerieren. «
Jessica starrte abwesend auf den Tisch. Sarah war so schnell verschwunden, wie sie sich materialisiert hatte. Mit einem lauten Seufzer strich sie sich über die Stirn. »Puh!« Sie überlegte, was sie in diesem Moment fühlte: Freude, Erschöpfung, Erstaunen, Ungläubigkeit, alles zugleich. Wer würde ihr das glauben? Ihr Blick fiel aufs Schlafzimmer. Simon sicher nicht. Aber Marcus und Nan. Sie sah sich nach Stift und Papier um. Sie musste alles aufschreiben, bevor die Erinnerung, die jetzt noch so stark war, verblasste.
Als Jessica erwachte, nachdem sie in traumlosen Schlaf gesunken war, stand die Sonne bereits hoch am Himmel und fiel durch die Fenster des Wintergartens. Als sie durch die Küche kam, bemerkte sie Teller und Tassen in der Spüle und schloss daraus, dass sich Simon selbst Frühstück gemacht hatte. Das Bett war unordentlich zerwühlt. Automatisch machte sie es, zog sich an und ging dann in die Küche zurück, um sich eine Tasse Kaffee zu brühen.
Sie fühlte sich merkwürdig belebt, als ob Sarahs Besuch ihr eine seltene physische Energie verliehen hätte. Auch ihre Sinne schienen geschärft, als ob sie alles ganz bewusst wahrnehmen würde, tiefes
Weitere Kostenlose Bücher