Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
auf Gras und durch Büsche gingen. Gelegentlich hörte sie einen Fluch, ein Schniefen und ein heiseres Husten sowie ein Grummeln von dem Mann, der sie so grob im Griff hatte.
»Hier, gib sie mir«, forderte Dowd ihn auf.
Ohne Rücksicht auf ihre Lage wurde sie dem kleineren Mann aufgeladen und dabei so gewürgt, dass sie ein Klumpen Galle in ihrer Kehle fast zum Ersticken brachte, bevor sich die Prozession wieder auf den Weg machte. Sie verlor das Gefühl für Zeit und konnte nicht mehr klar denken, solange die Furcht zeitweilig überwog und ihr Körper sich versteifte, da sie sich die Grausamkeiten vorstellte, die sie erwarteten.
»Nicht grade ein Leichtgewicht, was? Ist es noch weit?«, beschwerte sich Dowd.
»W-wir sind fast da«, flüsterte Timothy Cavanagh.
Schließlich hielt der Mann, der sie trug, an, und sein Keuchen wurde langsam leiser, als er wieder zu Atem kam.
»Bei Gott, ich hatte schon gedacht, ihr hättet gekniffen, Leute!«
Diese Stimme! Sarah hätte sie überall erkannt. Elijah. Sie erschlaffte und fiel gegen den Körper ihres Trägers, sodass er fast das Gleichgewicht verlor und stürzte.
»Lass sie runter«, schlug Rupert vor.
Sarah wurde grob zu Boden geworfen, wo sie reglos liegen blieb und kaum zu atmen wagte. Sie lauschte.
»Und? Lief alles nach Plan?«
»O ja, Elijah«, berichtete Dowd. »Sie hat keine Ahnung gehabt, was los war, bevor wir sie geschnappt haben. Rupert musste ihr eine verpassen, damit sie still war.«
»Recht so.« Elijah sah Timothy an, dessen Gesicht weiß im Schein des Dreiviertelmondes leuchtete. »Du bist ein guter Junge, das hast du gut gemacht.« Er blickte Rupert und Thomas an. »Hat euch keine von den Wachen aufgehalten? Seid ihr so durchgekommen?« Als sie nickten, holte er eine Flasche hervor, nahm einen tiefen Schluck und ließ sie dann herumgehen. »Gut gemacht, Jungs. Gut gemacht.«
In dem Sack, der sich auf ihr Gesicht presste und grob über ihre Haut rieb, versuchte Sarah, ruhig zu bleiben. Vor den anderen Männern hatte sie keine Angst, nicht vor Dowd, McLean und dem kriecherischen Cavanagh. Aber vor Elijah. Der Mann war böse bis ins Mark. Offensichtlich hatte er ihre Entführung mit militärischer Präzision geplant und war sich in seiner Arroganz sicher, damit durchzukommen. Plötzlich stellte sich ihr die Frage, was er überhaupt in Kingston machte. Captain Stewart hatte gesagt, er solle im Holzfällerlager in den Hügeln arbeiten, bis ein Schiff kam, das ihn nach Sydney Town zurückbringen würde.
So viel zu Versprechungen. Sie waren nicht mal den Atem wert, mit dem man sie aussprach.
Sarah O'Riley, jetzt sitzt du tief in der Tinte. Elijah hasste sie, weil sie seine Bestrebungen damals in Sydney Town zunichte gemacht hatte. Ihretwegen war er in das schreckliche Bergbaulager bei Newcastle geschickt und zum gefreiten Soldaten degradiert worden. Nicht, dass er es nicht verdient hätte, aber Elijah selbst sah das natürlich anders. Bei seiner verdrehten Sichtweise würde er eher ihr die Schuld geben als seinen eigenen bösen Taten.
Ein Stiefel stieß sie in die Seite. Sarah reagierte nicht.
»Glaubt ihr, dass sie ohnmächtig ist?«
»Stellt sich wohl eher tot.«
»Nimm ihr den Sack ab. Wollen doch mal sehen, wie die hochnäsige Mrs. O'Riley aussieht, wenn kein Captain Stewart oder ein paar Konstabler um sie herumtanzen.« Elijah zog die Jacke aus und rieb sich erwartungsvoll die Hände. »Ich hab schon lange darauf gewartet, der Schlampe ihren Hochmut auszutreiben.«
Dowd und McLean bückten sich, um Elijahs Befehl auszuführen. Sie setzten sie auf und zogen Sarah den Sack ab, doch sie ließen ihr den Knebel und die Fesseln noch. Dowd sprang zurück, als er den glühenden Hass in ihren Augen sah. Danach weigerte sie sich, einen von ihnen auch nur anzusehen. Stattdessen blickte sie sich um und stellte fest, dass sie sich irgendwo im Wald befanden. Hohe Pinien warfen im Mondlicht Schatten auf das Gras und die moosbedeckten Felshaufen, und wenn sie den Kopf neigte, hörte sie in der Ferne die See gegen die Küste donnern. Dieser Ort kam ihr irgendwie vertraut vor. War sie hier nicht vor kurzer Zeit mit Meggie gewesen, um Pinienzapfen zu suchen? Doch dann kam ihr der Gedanke, dass es ein ziemliches Stück von Kingston entfernt war. Wieder wandte sie den Kopf, um zwischen den Büschen hindurchzusehen, doch sie konnte nirgendwo einen Lichtschimmer erhaschen.
»Verdammt, sie hat den bösen Blick!«, murmelte Dowd. Er hielt sich schützend die
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