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Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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ihn interessieren würde. Doch bei Nan hatte sie das Gefühl, dass sie ihr immer zuhören würde.
    Während sie ihren Kaffee tranken, schlief der leichte Wind ein, der ihnen etwas Abkühlung gebracht hatte. Es wurde vollkommen windstill.
    Nan bemerkte es, sie kannte die Anzeichen. »Kommen Sie, wir gehen lieber hinein.«
    Jessica runzelte die Stirn, denn Nans veränderte Stimmung wunderte sie. Sie spürte eine Spannung, die für die Frau untypisch war. »Warum? Es ist herrlich hier draußen.«
    »Das wird sich gleich ändern.«
    Ungläubig schüttelte Jessica den Kopf. Es war ein milder Sommertag, wolkenlos, warm. Perfekt.
    Doch kaum hatte Nan ausgesprochen, als ein Windstoß die Ecken des Tischtuchs flattern ließ. Dann hörte Jessica von weit weg, irgendwo aus der Richtung des Meeres, ein merkwürdiges, undefinierbares Geräusch. Sie legte den Kopf zur Seite und lauschte, doch sie konnte den Laut nicht identifizieren.
    Eine plötzliche Windböe fegte über die Terrasse. Die Topfpflanzen bogen sich unter dem heftigen Ansturm der Natur, während die hängenden Töpfe wild ins Schaukeln gerieten. Als die volle Kraft der Böe das Töpferatelier traf, hatte Jessica das Gefühl, als würden sich die Metallplatten leicht wölben, so stark war der Wind auf einmal.
    Dann zerriss ein schriller Laut – wie ein hohes Kreischen – die Luft.
    »Mein Gott, was ist das?«, fragte Jessica. Sie stand auf und half Nan, den Tisch abzuräumen.
    »Das ist nur der Wind«, erklärte Nan beiläufig, »nur der Wind. Das passiert immer, wenn der Wind aus Süden kommt.«
    »Aber dieses Geräusch!« Jessica dröhnten die Ohren von diesem Fanfarenstoß, und die Lautstärke zerrte an ihren Nerven. »Wodurch wird das verursacht?«
    Nan zuckte mit den schmalen Schultern. »Das weiß niemand so ganz genau, obwohl schon manch einer versucht hat, es herauszufinden. Auch Marcus, aber bislang ist es
    ihm nicht gelungen.«
    »Himmel, da tun einem ja die Zähne weh!«
    »Ja, bei manchen Leuten hat das Geräusch diese Wirkung«, stimmte Nan zu. »Ich höre das schon seit vielen Jahren, deshalb habe ich mich daran gewöhnt.«
    Sie gingen in die Küche zurück und schlossen die Tür hinter sich.
    Jessica starrte aus dem Fenster über der Küchenspüle. Aus der Sicherheit der gemütlichen Küche bestaunte sie die Macht des Windes. Kleine Bäume bogen sich, als ob sie brechen wollten, und Büsche peitschten hin und her, als ob sie eine unsichtbare Hand in alle Richtungen zerren würde. Der Wind fegte über das Haus, pfiff um die Ecken, fand die Spalten in der alten Hütte und fing sich kreischend in ihnen, bis es kein Entrinnen mehr vor den gruseligen Geräuschen der Natur gab.
    »Es dauert nicht lange«, prophezeite Nan.
    »Gott sei Dank. Das ist verdammt nervenaufreibend«, gab Jessica zu. »Und Sie sagen, Sie hören das seit Jahren?«
    »O ja. Als ich noch klein war, hat meine Mutter mir eine Geschichte erzählt, und wenn man es genau bedenkt, war es auch nicht mehr. Nur eine Geschichte.« Sie bemerkte Jessicas fragenden Blick. »Von einer Frau, die angeblich in einer Höhle unten am Wasser lebte. Die Leute sagten, sie sei eine Art Einsiedlerin. Ihr Name war Maddie Lynch, obwohl ich nie jemanden getroffen habe, der sie tatsächlich kannte. Man nahm an, dass sie wartete, bis der Wind aus Süden wehte. Dann kam sie aus ihrer Höhle und hat so laut wie möglich geschrien. So erklären die Leute das Geräusch.«
    Jessica runzelte die Stirn. »Aber – lebt sie denn noch?«
    Nan schürzte die Lippen. »Es ist nur eine Geschichte, Jessica. Mit Geschichten versuchten sich die Inselbewohner früher vieles zu erklären, was sie nicht verstanden. Ich halte die Geschichte von der Einsiedlerin und der angeblichen Höhle oder dem Grund für den Lärm für wenig glaubhaft, gerade heute.«
    Verwirrt, aber neugierig, wollte Jessica die Idee jedoch nicht so schnell aufgeben. »Gibt es überhaupt eine Höhle?«
    »Es hat noch niemand eine gefunden. Auch Marcus nicht, obwohl er fast jeden Zentimeter dieser Insel abgewandert ist.« Nan lächelte sie an. »Hören Sie? Es hat aufgehört, wie jedes Mal.«
    Jessica schüttelte verwundert den Kopf. Das Ganze schien ihr sehr mysteriös. So langsam verstand sie, dass Norfolk ein Ort war, an dem gelegentlich seltsame Dinge geschahen. Dieser kreischende Wind war offensichtlich nur eines davon.
     
    Versteckt in den Bäumen und Büschen, die vor dem Atelier wuchsen, betrachtete sie Jessica Pearce, als sie aus dem Fenster sah. Viele

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