Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
es gab keinen Boden in diesem hohlen Felsen … dort, wo sonst das Gestein zerklüftet eine Sohle bildete, war Wasser. Ein gewaltiger See füllte die Halle aus … in dem spiegelklaren Wasser zuckten die Flammen der Fackeln und warfen das Bild des bleichen und zitternden Jossip zurück.
    Ein See, ein hohler Felsen mit einem See … ein See, getrennt durch eine Steinwand von Zabari, das unter ihm lag … ein versunkenes Dorf schon … ein Atlantis der Berge …
    Jossip hielt die Fackeln hoch … er schwenkte sie … ihr Schein erreichte nicht die gegenüberliegende Wand. Von ferne hörte er wieder das Rauschen und Plätschern … die Bäche und unterirdischen Flüsse, die den See speisten, die durch den Felsen rannen und ihn aushöhlten, zermürbten, zerfraßen.
    Er bückte sich, ergriff einen Stein und warf ihn vor sich in das stille Wasser. Er beugte den Kopf vor und vernahm nicht den Aufschlag auf den Grund des Sees. Erschüttert setzte sich Jossip auf den nassen Boden und starrte über den schweigsamen, unterirdischen Saal.
    Eine Wassersäule von über 100 Metern, umklammert von einem Felsen, stand über Zabari. Es bedurfte nur eines Loches in der Felswand, nur einer Sprengung, und der riesige See würde über das Tal stürzen … alles Leben vernichtend, die Natur umgestaltend … ein jüngstes Gericht …
    Entsetzt saß Jossip vor dem See und starrte auf das verzerrte Bild seines Gesichtes, das die Oberfläche des Wassers unter dem zuckenden Fackelschein zu ihm zurückwarf …
    Mit dem Beginn des Frühjahrs und dem Abklingen der Schneeschmelze begannen wieder die Arbeiten am Damm. Was die Wassermassen weggerissen hatten, war nur gering im Vergleich zu dem, was halbfertig dem Ansturm standgehalten hatte. Neue Verschalungen wuchsen an den Talwänden empor, der Erdwall wurde verbreitert, der Betonkern verstärkt. Unmittelbar unter der emporwachsenden Sperrmauer wurde der Boden gesprengt, planiert und glattgewalzt … breite Betonplatten mit Eisengeflecht wurden gegossen und in den Boden eingelassen … die Fundamente und Träger der Turbinen, die später in den Hallen des Kraftwerkes eingebaut werden sollten.
    Neue Pläne waren in den stillen Monaten entstanden, Verbesserungen, die in Belgrad und Zagreb zur Genehmigung vorlagen. Außer der Ausnutzung des Wasserdruckes für den Antrieb der Turbinen zur Elektrizitätserzeugung hatte Ralf Meerholdt vorgeschlagen, die dicken Wasserstrahlen des abfließenden Wassers nicht einfach als einen kleinen Fluß in irgendeine Schlucht zu leiten und dort weiterzuführen bis zum Tara, sondern mit einem Rohrdrucksystem in jene Gebiete zu drücken, die heute noch unter der Wasserarmut brachlagen, versteppten oder sogar unbewohnt waren. So konnte der Staudamm von Zabari doppelt nützen und restlos ausgewertet werden.
    Stanis Osik trug die Pläne wie kostbare Diamanten mit sich herum und schlief mit ihnen unter dem Kopfkissen. »Sie sind Millionen wert!« sagte er zu Elena, die aus Budapest gekommen war und wieder in Zagreb lebte. »Dein süßer Ralf ist ein Genie!«
    »Aber nicht wert, dein Schwiegersohn zu sein!« antwortete Elena kampfeslustig.
    »Genie und Schwiegersohn sind zwei verschiedene menschliche Begriffe, mein Täubchen! Ein Genie als Schwiegersohn ist das schrecklichste, was einem Vater passieren kann. Es vernichtet ihn mehr als zehn Heuschreckenplagen! Was ich brauche, ist für mein Püppchen ein Mann, der gut aussieht, ein Diplomat ist, eine hohe gesellschaftliche Stellung bekleidet, einen großen Einfluß hat, keinerlei Ambitionen, wenig Geist, möglichst viel Geld und ein gutes Gemüt besitzt und der im übrigen so still ist, daß ich ihn nicht bemerke, es sei denn, er führt mir eure sieben Söhne vor …«
    »Ist das alles?« Elena biß die Lippen aufeinander. »Vielleicht schielt er auch noch, hat eine Geliebte, die ihm den Eingang in die Ministerien öffnet –«
    »Nicht schlecht«, nickte Osik.
    »… ist ein Luder, das mich täglich schlägt und sich als Mohammedaner mit der Zeit vier andere Frauen anschafft und als Pascha auf den Kissen sitzt und sich kniend den Kaffee servieren läßt …«
    Stanis Osik lächelte breit. »Ein wenig viel, Püppchen. Nicht ganz so schlimm soll man das Leben sehen.«
    »Ich werde solch einen Idioten nie und nimmer heiraten!« schrie Elena außer sich.
    »Aber ein Genie! Ein wirkliches Genie mit Millionen im Kopf und zehn Dinaren in der Tasche! Einen Fremden! Und auch noch einen Deutschen! Meine Tochter mit einem Deutschen …

Weitere Kostenlose Bücher