Das Lied der schwarzen Berge
glücklich werden läßt! Du willst mich in ein Glashaus setzen und herumzeigen wie eine Mumie. Seht, das ist meine Nofretete! Seht, nach ihr würde sich Amenophis die Hände geleckt haben! Aber sie ist unverkäuflich, unantastbar … es sei denn, es käme einer, der mich Minister werden ließe und meine Tochter eine Gräfin! Gräfin Elena … dafür öffne ich den Glaskasten, und die Meute kann herein! Wer ist ein Graf, wer kann mich zum Minister machen … wer will … wer will …« Sie trommelte mit den Fäusten gegen ihre Brust. »Aber ich will nicht … ich will nicht! Ich will Liebe … Liebe.«
Stanis Osik nahm die Zigarre aus dem Mund und warf sie fort. »Geile Katze«, sagte er und verließ den Raum.
Am nächsten Morgen war Elena aus dem Haus verschwunden.
Osik brüllte durch die Räume und den weiten Garten, er jagte die Hausmädchen herum, den Chauffeur, den Gärtner … niemand hatte Elena gesehen. Sie mußte in der Nacht, unbemerkt von allen, das Haus und Zagreb verlassen haben.
Die Polizei, die Osik alarmierte, war ratlos. Ein junger Leutnant schüttelte den Kopf. »Mit drei Koffern ist sie weg?« sagte er gedehnt. »Das sieht wie eine Flucht aus. Hatten Sie Streit miteinander?«
Stanis Osik warf die Polizisten aus dem Haus und telefonierte mit Foca.
»Wenn meine Tochter kommt, sofort festhalten, bis ich nachkomme!« schrie er den Leiter des Nachschublagers von Foca an. Dann überwand er sich und rief Zabari an. Er verlangte Ralf Meerholdt und wartete, bis man ihn von der Baustelle holte.
»Hier Osik«, sagte er, sich mühsam beherrschend. »Wie geht's in Zabari?«
»Alles in Ordnung.« Ralf Meerholdt wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war gerannt und noch etwas außer Atem. »Was machen meine neuen Pläne?«
»Sie werden geprüft … sie sind ganz gut! Vielleicht kommen wir auf sie zurück.« Osik schluckte. »Ist Elena bei Ihnen?« fragte er dann.
Meerholdt fuhr zusammen. »Elena?« rief er verblüfft. »Nein – ich habe sie seit fast dreiviertel Jahren nicht mehr gesehen!«
Osik stöhnte leise. »Dann wird sie morgen oder übermorgen zu Ihnen kommen! Sie ist auf dem Wege nach Zabari. Tun Sie mir den einen Gefallen und rufen Sie mich sofort an, wenn sie eintrifft! Ich reise heute noch nach Foca.«
»Selbstverständlich!« Meerholdt nagte an der Unterlippe. »Ich rufe sofort an, wenn sie kommt.«
Osik legte auf. Seine Stimme war nicht begeistert, grübelte er. Er war sofort bereit anzurufen. Sollte das alles nur ein Hirngespinst von Elena sein? Weiß am Ende Meerholdt gar nichts von ihrer Leidenschaft für ihn? Er rauchte wieder eine Zigarre an und versank in Grübeln. Wenn es wirklich so ist, dann wäre die Reise Elenas nach Zabari die beste Heilung! Die Kühle Meerholdts mußte sie ernüchtern. Er rauchte mit halbgeschlossenen Augen und versuchte, sein aufgeregtes Innere zu besänftigen. In diesem Augenblick glich er einem Orientalen, der im Angesicht eines großen Schicksals ruhig wird, lächelt und an die Allmacht Allahs glaubt …
Ralf Meerholdt hatte den Hörer noch immer in der Hand, als Osik schon längst aufgelegt hatte. Er sah aus dem Fenster hinaus über das Tal und den Weg, den Raupenschlepper von den letzten Steinsperren der Schneeschmelze säuberten.
Elena ist auf dem Wege nach Zabari. Das Schicksal macht nicht halt … es hatte nur eine Pause den Winter über eingelegt. Mit der Sonne des Frühlings kam die Entscheidung zurück, der er ausweichen wollte, bis sich vielleicht alles von selbst in die Bahn lenkte, die eine Zukunft verhieß.
Elena, geflohen aus Zagreb, war auf dem Weg zu ihm. Vielleicht fuhr sie schon über die schlammige Bergstraße, kämpfte sich die Serpentinen empor, wich den letzten Steinschlägen an den Hängen aus.
Und nebenan, durch eine dünne Bretterwand getrennt, saß Rosa am Fenster in der Sonne und stopfte seine schadhafte Wäsche und kochte des Mittags die Gerichte ihrer Heimat und trug sie in sein Zimmer mit dem Lächeln seligen Glücks, ihm dienen zu dürfen. Bevor sie aßen, küßten sie sich, und nach dem Essen küßten sie sich wieder. In der Nacht begegneten sie sich, jeder auf dem Weg zu dem anderen. Sie sahen sich an, stumm, tief atmend, und er nahm sie auf seine Arme und trug sie in sein Zimmer. Als er zum Lichtschalter griff, nahm sie seine Hand und drückte sie zurück auf ihre Brust. »Kein Licht«, flüsterte sie. »Die Dunkelheit ist so weich wie deine Hand.« Später drehte sie dann selbst das Licht an und beugte sich
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