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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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…«
    »Das werde ich auch tun …«
    Entsetzt sah ihr Bonelli nach, wie sie durch die Barackengasse lief, dem Hause Meerholdts zu. »Madonna!« stammelte er. »Das ist eine Tragödie …«
    Er trat schnell zurück hinter seinen Schanktisch und spülte die Gläser weiter, aber es beruhigte ihn nicht, und er zerbrach zwei Stück zwischen den Händen.
    Elena lag tief schlafend in Ralfs Bett. Er hatte ihr die schmutzige Jacke ausgezogen, Gesicht und Hände gewaschen … schon beim Waschen sank ihr Kopf vornüber, und sie schlief ein, an Ralfs Arm festgeklammert. Er legte sie zurück auf das Bett und zögerte. Dann siegte die Notwendigkeit über seine Zurückhaltung, und er entkleidete Elena vollständig, zog dem weißen, schönen und vollendeten Körper seinen Schlafanzug über und deckte sie dann bis zum Hals mit seiner Steppdecke zu.
    Sie lächelte im Schlaf.
    Eine Weile saß er noch neben ihr auf der Bettkante und betrachtete sie. Ihre Augenlider zitterten. Der Mund war plötzlich trotzig zusammengezogen, ihr Gesicht hatte etwas Strenges und in der jetzigen Herbheit Berückendes an sich.
    Drei Tage und Nächte durch die Berge … eine große, eine überwältigende Leistung für eine so zarte und verwöhnte Frau wie Elena. Ein Martyrium, freiwillig erlitten, um zu ihm zu kommen. Eine Odyssee aus Liebe.
    Er beugte sich über ihr schmales, bleiches Gesicht und küßte sie auf den zusammengepreßten Mund. Ihre Lippen waren kalt und rauh, aber sie zitterten, als er sie berührte …
    Während Elena schlief, rief Meerholdt in Foca Stanis Osik an.
    Osik war der Verzweiflung nahe und soff ein Glas Slibowitz nach dem anderen. Er hatte sich eingeschlossen und brüllte jeden durch die Tür an, der ihn störte. So verkehrte man nur noch telephonisch mit ihm, denn das Telephon war das einzige Wesen, auf dessen Stimme er sofort reagierte. Aber alles, was nicht aus Zabari kam, wurde von ihm niedergeschrien und abgehängt.
    Mit glasigen Augen starrte Osik auf die Tischplatte. Ich saufe mich zu Tode, grübelte er. Alkohol ist Gift für mein Herz. Ich habe die Angina pectoris … ich weiß es. Aber ich pfeife darauf! Ich pfeife! Wenn Elena umgekommen ist, ist das Leben nichts mehr wert! Wofür arbeite ich denn? Wofür habe ich den Reichtum gescheffelt, die Leute betrogen, die Arbeiter ausgebeutet, Material verschoben und falsche Rechnungen buchen lassen? Für wen denn? Für mich? Für den dicken, alten Stanis Osik, dessen Herz in der Brust klappert wie ein ungeschmierter, ausgeleierter Motor? Für den? Er schüttelte den Kopf und goß sich noch ein Glas ein. Mit geschlossenen Augen, als tränke er Gift, stürzte er es ganz hinunter. Ich saufe mich zu Tode, Heilige Mutter von Sarajewo … gib mir Elena wieder …
    Er schlief, als das Telephon neben seinem Ohr klingelte. Schlaftrunken fuhr er auf, wischte sich über das schweißige Gesicht und nahm den Hörer ab.
    Zabari … Osik fuhr empor. Er schwankte trunken, aber er verstand alles, was Meerholdt sagte. Und dann weinte Stanis Osik – es war möglich, daß aus seiner harten Seele noch ein Gefühl entsprang, das ihm die Tränen in die Augen trieb.
    »Sie ist da«, stammelte er. »Sie ist bei Ihnen … gesund, ganz gesund, nur müde … und sie schläft … mein Täubchen, meine Elenaska … Meerholdt …« Er schluckte … »Ralf … pflege sie gut, hörst du … pflege sie wie eine Mutter … Ich komme sofort nach Zabari …«
    Er legte den Hörer auf und schwankte. Sich an der Wand forttastend, torkelte er zu dem Sofa am Fenster und warf sich in die Kissen. Kaum, daß er lag, schlief er schon wieder, und er lächelte im Schlaf wie ein glückliches, beschertes Kind.
    Bevor am nächsten Morgen Stanis Osik nach Zabari kam, standen sich in Ralfs Zimmer Rosa und Elena gegenüber.
    Nicht feindlich … Rosa putzte den Boden, und Elena nahm keine Notiz von ihr und trank an einem kleinen Tisch mit Ralf Kaffee. Die durchschlafene Nacht in dem warmen Bett Meerholdts, das Bad am Morgen hatten sie wieder in die gepflegte Dame aus Zagreb verwandelt. Wer sie so sitzen sah in ihrem Pariser Frühjahrskleid, mit den hochhackigen Schuhen und den dünnen, nahtlosen Nylonstrümpfen, hielt es für undenkbar, daß diese gleiche Frau vor wenigen Stunden noch den Felsriegel der schwarzen Berge durchbrochen hatte, eine Tat, deren jeder Mann sich stolz rühmen würde.
    Während sie Kaffee tranken, sprachen sie kein Wort miteinander. Nur ab und zu legte Elena ihre Hand auf die Ralfs und streichelte sie

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