Das Lied der schwarzen Berge
nicht das schlechte Wasser der Heimat, der fruchtbarste Boden im Norden ist nicht der steinige der südlichen Berge … und auf dem selbstgerupften und getrockneten Gras unter einem Lammfell schläft es sich herrlicher als im weichsten Daunenbett unter dem Sternenhimmel des Nordens.
»Du wirst Heimweh haben«, sagte er leise.
»Du wirst es mir wegnehmen, wenn du mich küßt.«
»Du kennst unser Land nicht. Der Deutsche fühlt sich in der ganzen Welt wohl … aber wenige nur in Deutschland. Große Unruhe wird in dein Leben kommen.«
»Du wirst mir in deinen Armen Ruhe geben …«
Er nickte. Über ihren Kopf hinweg blickte er aus dem Fenster auf die Baustellen, auf das wimmelnde Leben, das seinem Befehle gehorchte. »Ich werde mit Fedor und Marina sprechen«, sagte er.
Mit einem glücklichen Lächeln küßte sie ihn …
Wenig später gingen sie den Berghang hinauf zu dem geheimnisvollen Bach, der aus dem Felsen kam. Rosa stieg voran … sie hatte den Rock gerafft und stützte sich auf einen dicken Stock. Meerholdt folgte ihr, eine Tasche mit Meßinstrumenten und kleinen Behältern für Gesteinsproben in der Hand. Sie kletterten den Hang hinauf, ließen den Wald links liegen und wandten sich gleich dem Felsen zu, aus dem der Wasserlauf hervorsickerte.
Vom Felsen aus, hinter einem Stein liegend, beobachtete sie Jossip.
Er lag schon seit einer Stunde hinter dem Stein und hatte gesehen, daß Rosa zu Meerholdt ins Haus lief. Ein Sturm von Eifersucht und neuem Haß überwältigte ihn und machte ihn fast sinnlos vor Wut.
Daß sie zusammen in den Wald gingen, betäubte ihn. Er dachte wie ein Tier: Auch die Bären, die Katzen und die Hunde gehen in den Wald, sich zu paaren. Sie verkriechen sich in den Büschen und schreien vor Gier. Daß Meerholdt eine Tasche trug, sah er nicht in seiner seelischen Auflösung. Er sah sie nur in den Wald gehen, das letzte Stück sogar umschlungen und miteinander lachend. Ein glückliches Paar.
Sein Zorn gebar die grauenhaftesten Bilder. Nicht nur Meerholdt sollte sterben, auch Rosa, die läufige Hündin, auch Zabari, das Dorf, das durch die Fremden entehrte und zerstörte Dorf, auch Fedor und Marina, die Herden und die ganze Natur! Alles, alles sollte vernichtet werden! Er wollte seinen Gott befreien, seinen schrecklichen Rachegott, der geheimnisvoll in der Felswand verborgen lag. Mit Wasser wollte er seine Seele reinigen, mit einem Meer, das alle Ufer überspülte und alles mit sich wegriß in einen einzigen Untergang. Der Felsen sollte aufreißen … es würde ein Donnern geben, ein krachendes Bersten und ein Rauschen, als sei der Himmel auf die Erde gefallen. Ein Jüngstes Gericht von Jossip, dem Schäfer. Eine Rache, in der sich Mensch und Natur verbanden und ihre Gesichter umformten.
Er drückte die Stirn an den kalten Stein, verbarg das Gesicht an der Erde und weinte vor Wut. Er sah nicht mehr, daß Rosa und Ralf Meerholdt in einer Felsspalte verschwanden und an dem zerklüfteten Fuß des Berges standen, aus dem das Wasser hervorkam.
»Hier ist es«, sagte Rosa und bückte sich. »Ich weiß, daß es voriges Jahr noch nicht da war.«
Meerholdt steckte die Hand in den rissigen Felsen und fühlte, wie das Wasser eiskalt und kristallklar durch einen stetigen Druck nach außen gestoßen wurde.
»Irrst du dich auch nicht?« fragte er zweifelnd.
»Nein. Ich kenne jeden Bach um Zabari herum.«
»Es ist keine Quelle.« Meerholdt erhob sich von den Knien und begann mit einem spitzen Hammer den Felsriß zu vergrößern. »Eine Quelle kann doch nicht plötzlich entstehen … wenn das Wasser sich einen neuen Weg suchte, muß es vorher doch woanders zu Tage getreten sein.« Der Riß war jetzt etwas breiter, er konnte den Arm hineinstecken und spürte den ständigen Fluß des Rinnsals. »Es muß ein Bach sein, der irgendwo in den Felsen tritt und sich hier seinen Austritt suchte«, sagte er. »Ein kleiner Bach.«
Er wollte sich schon abwenden und wieder gehen, als er ein wenig weiter von der Felsspalte entfernt einige verkohlte Holzstücke sah. Sie lagen zwischen den Steinen und wären nicht aufgefallen, wenn nicht der Mondschein gerade diese Partie durch eine Waldlichtung beschienen und in helles Licht getaucht hätte.
Meerholdt hob die verkohlten Stücke auf und betrachtete sie genau. Sie sahen aus wie verbrannte Stiele … sie waren rund und genau so dick, daß man sie mit der Hand umfassen konnte.
Die Fackeln fielen ihm ein … die Fackeln, die Drago Sopje und andere Arbeiter des
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