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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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sein.
    Ich dachte lange und angestrengt nach, bevor ich endgültig beschloß, wie ich Adam bestrafen würde. Ich entschied mich zu dem, was die Franzosen »chevalet«, die Spanier »escalero«, die Deutschen »Streckbank«, die Italiener »veglia« und die poetischen Engländer »Die Tochter des Duke of Exeter« nennen. Diese Folterbank hatte ihren euphemistischen Namen nach dem einfallsreichen John Holland, Duke of Exeter und Earl of Huntingdon, bekommen. Nach einer erfolgreichen Karriere als Soldat war der Duke zum Constable des Tower of London ernannt worden, und um 1420 hatte er dieses großartige Instrument zur Überredung starrköpfiger Sünder in England eingeführt.
    Die erste Version bestand aus einem offenen rechteckigen Rahmen auf Holzbeinen. Der Gefangene wurde unter das Gestell gelegt, und um seine Handgelenke und Fesseln wurde Seile geschlungen. An jeder der Ecken führten die Seile zu Winden, die von Wärtern durch Drehen der Kurbeln bedient wurden. Dieses wenig elegante und arbeitsaufwendige Gerät wurde mit den Jahren verfeinert und schließlich zu einer Konstruktion umgestaltet, die aus einer Art Tischplatte auf einer horizontalen Leiter bestand, in die in der Mitte eine mit Eisenstacheln versehene Rolle eingebaut war, so daß, wenn der Körper des Gefangenen sich streckte, sein Rücken von den Stacheln zerfetzt wurde. Man hatte auch ein Flaschenzugsystem entwickelt, das alle vier Seile erfaßte und somit ermöglichte, daß die Maschine von nur einer Person bedient werden konnte.
    Glücklicherweise haben diejenigen, die sich im Lauf der Jahrhunderte für die Bestrafung der Sünder einsetzten, sorgfältige Beschreibungen und Zeichnungen ihrer Apparaturen hinterlassen. Darüber hinaus hatte ich ja auch den Museumsführer als Vorlage, und mit Hilfe eines Handbuchs für Heimwerker baute ich mir meine eigene Streckbank. Für den Mechanismus schlachtete ich eine alte Wäschemangel aus, die ich in einem Antiquitätenladen gekauft hatte. Bei einer Versteigerung erstand ich einen Eßtisch aus Mahagoni. Ich schaffte ihn geradewegs zur Farm und nahm ihn in der Küche auseinander, wobei ich das handwerkliche Können bewunderte, mit dem dieses harte Holz verarbeitet worden war. Es dauerte ein paar Tage, dann war meine »Tochter des Duke of Exeter« fertig. Jetzt blieb nur noch, sie einmal auszuprobieren.

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2
    Überlassen wir dann den geneigten Leser der reinen Ekstase des Horrors, wenn er in der atemlosen Stille der Erwartung, des Vorausahnens und, wahrhaftig, des Wartens darauf, daß die unbekannte Hand wieder einmal zuschlägt, gefangen ist und dennoch nicht glauben will, daß jemals eine solch wilde Verwegenheit aufgebracht werden könnte, diesen Versuch zu wagen, während alle Augen darauf gerichtet sind … und sich dann dennoch ein zweiter Fall der gleichen mysteriösen Art ereignet und ein Mord nach demselben vernichtenden Plan in ebenderselben Nachbarschaft begangen wird.
    B randon hatte gerade den Motor gestartet, als das Autotelefon in der Halterung am Armaturenbrett läutete. Er nahm ab und meldete sich: »Brandon!« Tony hörte eine Computerstimme sagen: »Es liegen Nachrichten für Sie vor. Rufen Sie bitte Eins-Zwei-Eins an. Es liegen Nachrichten für Sie vor. Rufen Sie …«
    Brandon drückte auf einige Tasten. Diesmal konnte Tony nicht verstehen, was der Angerufene sagte. Nach einigen Sekunden wählte Brandon eine andere Nummer. »Meine Sekretärin«, erklärte er. »Tut mir leid … Hallo, Martina? John hier. Sie lassen mich suchen?«
    Während ihm geantwortet wurde, kniff Brandon wie im Schmerz die Augen zu. »Wo?« fragte er dann.
    »Okay, verstanden. Ich werde in einer halben Stunde dort sein. Wer hat die Leitung? … Gut, danke, Martina.« Brandon öffnete die Augen und beendete das Gespräch. Er drückte den Hörer wieder in die Halterung und wandte sich Tony zu. »Sie wollten wissen, wann Sie anfangen sollen? Wie wäre es mit sofort?«
    »Die nächste Leiche?« fragte Tony.
    »Die nächste Leiche«, bestätigte Brandon grimmig, setzte sich gerade, legte den ersten Gang ein und fuhr los. »Wie reagieren Sie auf Tatort-Szenen?«
    Tony zuckte mit den Schultern. »Ich werde vermutlich mein Mittagessen wieder ausspucken, aber es ist ein Bonus für mich, wenn ich die Leichen in noch halbwegs ursprünglichem Zustand sehe.«
    »Bei dem Zustand, in dem sie dieser kranke Bastard zurückläßt, kann man nicht von ›ursprünglich‹ sprechen«, knurrte Brandon. Er fädelte sich zügig in die

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