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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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jetzt nur noch ein Stöhnen. »Ich habe dir ja schon gesagt, daß ich ganz feucht da unten bin … Ja, stoß deine Finger tief in mich. O Gott, Anthony, du bist der Beste … Laß mich … laß mich, o Gott, laß mich an ihn ran …«
    Tony hörte, wie am anderen Ende der Leitung ein Reißverschluß aufgezogen wurde. »Angelica …« sagte er. Er wurde wieder schwach, wie das immer geschah, verlor die Kontrolle über sich, taumelte dahin wie ein verletzter Vogel.
    »O Anthony, du bist wundervoll. Das ist der schönste Schwanz, den ich je gesehen habe … Oh, ich möchte ihn schmecken …«
    Ihre Stimme verlor sich, ging in saugende Laute über.
    In einer Welle der Scham und des Zorns lief Tonys Gesicht plötzlich rot an. Er knallte den Hörer auf die Gabel, riß ihn dann aber sofort wieder hoch. Herrgott noch mal, welcher normale Mann bekam bei einem solchen Telefongespräch keine Erektion? Und welcher Wissenschaftler brachte es fertig, seine emotionalen Schwächen stets sauber von der pragmatischen Sammlung von Fakten zu trennen?
    Das Schlimmste an der ganzen Sache war sein eigenes Verhalten. Wie oft hatte er Serienverbrechern gegenübergesessen, Vergewaltigern, Brandstiftern, Mördern, und beobachtet, wie sie beim erneuten Aufrollen ihrer Taten den Punkt erreichten, an dem sie sich selbst nicht mehr ausstehen konnten. Genau wie er hatten sie dann die geistigen Schotten dichtgemacht. Sie konnten nicht wie er einfach den Telefonhörer auflegen, doch sie verschlossen sich genauso wie er vor allem, was da noch kam. Aber natürlich, irgendwann im Verlauf einer guten Psychotherapie durchbrachen sie die Mauern und schafften es, sich dem zu stellen, was sie in ihre jetzige Lage gebracht hatte. Das war dann der erste Schritt zur Bewältigung des psychologischen Problems. Ein Teil in Tonys Geist hoffte, daß Angelica genug von der psychologischen Theorie und Praxis wußte, um mit ihm weiterzumachen, bis auch er die Mauern durchbrechen und sich dem stellen konnte, was auch immer es war, das ihn zu diesem sexuellen und emotionalen Krüppel hatte werden lassen.
    Ein anderer Teil dagegen hoffte, sie würde nie mehr anrufen. Nichts mit »kein Gewinn ohne Qualen«. Er wollte einfach keine Qualen mehr durchstehen müssen.
     
    John Brandon wischte mit dem letzten Stück des selbstgebackenen Brots über seinen Teller und lächelte dann seine Frau an. »Das war großartig, Maggie«.
    »Mmm«, stimmte sein Sohn Andy zu, den Mund noch voll Lamm-und-Auberginen-Curry.
    Brandon rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich noch mal für eine Stunde in die Scargill Street fahren. Nur um zu sehen, wie alles so läuft.«
    »Ich dachte, hochrangige Polizeibeamte wie du müßten abends nicht arbeiten«, entgegnete Maggie. »Hast du nicht gesagt, es sei nicht nötig, daß die Jungs dauernd deinen Atem im Nacken spüren?«
    Brandon schaute verlegen drein. »Ja, sicher, aber ich will ja nur mal schauen, wie sie vorankommen.«
    Maggie schüttelte den Kopf, resigniert lächelnd. »Es ist mir letztlich lieber, du fährst hin und bringst es hinter dich, als daß du den ganzen Abend zappelnd vor der Glotze hockst.«
    Karen hob den Kopf. »Kannst du mich mitnehmen, Dad, und mich bei Laura absetzen? Wir müssen noch an unserem Geschichtsprojekt arbeiten.«
    Andy prustete los: »Daran arbeiten, wie du Craig McDonald wieder loswirst, willst du wohl sagen.«
    »Du hast doch keine Ahnung«, fauchte Karen. »Okay, Dad?«
    Brandon stand auf. »Nur, wenn du sofort mitkannst. Und ich hole dich auf dem Rückweg wieder ab.«
    »O Dad, wenn du in einer Stunde wieder heimfahren willst, reicht das nicht annähernd, um das zu tun, was wir tun wollen.«
    Jetzt war Maggie Brandon an der Reihe, lachend loszuprusten.
    »Wenn dein Vater vor halb zehn zurückkommt, mache ich schottische Pfannkuchen zum Abendessen.«
    Karen sah von einem Elternteil zum anderen, und die Qual der Wahl zeichnete sich auf ihrem vierzehnjährigen Gesicht ab. »O Dad, holst du mich dann um neun Uhr ab?«
    Brandon grinste. »Wie kommt es, daß ich das Gefühl habe, ich hätte keine andere Wahl?«
    Es war kurz nach halb acht, als Brandon das HOLMES -Zentrum betrat. Selbst zu so später Stunde waren noch alle Terminals besetzt. Das Klicken von Tastaturen vermischte sich mit der gedämpften Unterhaltung an einigen der Schreibtische. Inspector Dave Woolcott saß neben einem der Bearbeiter, der ihm etwas auf seinem Bildschirm zeigte. Niemand schaute

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