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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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die Küche und stieg die Treppe hinauf. Brandon folgte ihm. Tony steckte den Kopf in das erste Zimmer und ging gleich weiter. Als Brandon zu dem Raum kam, sah er, daß es offensichtlich das Zimmer des abwesenden Männerpärchens war. In McConnells Zimmer schien Tony völlig in seine eigene Welt zu versinken. Es war mit einfachen, modernen Fichtenholzmöbeln ausgestattet, einem Bett, einer Kommode und einem Kleiderschrank. Eine Reihe von Gewichtheber-Trophäen stand auf einem tiefen Fensterbrett. Ein hohes, schmales Bücherregal war vollgestopft mit billigen Science-fiction-Büchern und Schwulenromanen. Auf einem kleinen Tisch befanden sich ein Computer und ein Fernsehmonitor, auf einem Regalbrett darüber eine Sammlung von Computerspielen –
Mortal Kombat, Streetfighter II , Terminator 2 , Doom
und ein Dutzend anderer Spiele, deren ausschließliches Thema Gewaltanwendung war.
    »Das kommt der Sache schon näher«, murmelte er. Er stand vor der Kommode, die Hand ausgestreckt, um die erste Schublade aufzuziehen. Vielleicht bist du es ja doch, dachte er. Überläßt du das Wohnzimmer den anderen beiden? Ist das hier deine einzige und eigentliche Sphäre? Was erwarte ich hier zu finden? Ich suche nach deinen Andenken, Handy Andy. Du mußt dir doch Erinnerungsstücke aufheben, sonst verfliegen die Eindrücke zu schnell. Wir alle brauchen handgreifliche Dinge. Das ausrangierte Parfümfläschchen, das ihren Duft für mich konserviert und sie vor meinen Augen wieder auferstehen läßt wie ein Hologramm; das Theaterprogramm von dem Abend, an dem wir uns zum erstenmal liebten und alles klappte und in Ordnung war. Speichere die guten Erinnerungen und wirf die schlechten über Bord. Was hast du mir zu bieten, Handy Andy?
    Der Inhalt der ersten drei Schubladen war enttäuschend harmlos: Unterwäsche, T-Shirts, Socken, Jogginganzüge, Shorts. Als Tony die unterste Schublade aufzog, pfiff er leise durch die Zähne. Sie enthielt McConnells SM -Geräte – Handschellen, Fesselriemen aus Leder, Knebelzwingen, verschiedene Peitschen und eine Reihe anderer Gegenstände, die man eher in irgendwelchen Labors oder Anstalten für Geisteskranke vermutet hätte. Als Tony sie schweigend herausnahm und sich ansah, befiel Brandon ein Schauder.
    Tony setzte sich auf die Bettkante und blickte sich um. Langsam und vorsichtig versuchte er sich ein Bild von dem Mann zu machen, der in diesem Zimmer lebte. Du magst es, Macht durch Gewaltanwendung auszuüben. Und du magst es beim Sex, wenn du Schmerz verspürst. Aber du zeigst keinen Scharfsinn. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß du ein Mann bist, der alles vorsichtig und detailliert plant. Du betest deinen Körper an. Er ist dein Tempel. Du hast einiges erreicht und bist stolz darauf. Du bist in deinem Sozialverhalten kein Einzelgänger. Du wohnst in einem Haus mit zwei anderen Männern zusammen, und du bist nicht zwanghaft auf den Schutz deiner Privatsphäre aus, denn es steckt kein Schlüssel innen in deiner Zimmertür. Du hast keine Probleme mit deiner Sexualität, du bist durchaus zufrieden damit, wenn du immer wieder einmal einen Mann in einem Club aufgabeln kannst.
    Tonys Versuch, ein Profil von McConnell aufzubauen, wurde von Brandon unterbrochen. »Schauen Sie sich das an, Tony!« rief er aufgeregt. Er hatte sich einen Stapel Papiere in einem Schuhkarton angesehen und mitten unter Rezepten, Garantiescheinen für Elektrogeräte, Bank- und Kreditkartenauszügen ein offizielles Polizeiformular entdeckt.
    Tony nahm es an sich und runzelte die Stirn. »Was soll das denn sein?«
    »Es ist das Standardformular, das ein Polizist ausfüllt, wenn er einen Autofahrer wegen eines Verstoßes gegen die Verkehrsregeln anhält und es sich erweist, daß der Betroffene seine Papiere nicht bei sich hat. Er kriegt einen Strafzettel und muß sich verpflichten, innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Polizeiwache zu erscheinen und die Papiere vorzuzeigen. Sehen Sie sich den Namen des Polizisten an«, drängte Brandon.
    Tony schaute wieder auf das Blatt. Der Name, der zunächst nur ein unleserliches Gekritzel für ihn gewesen war, entpuppte sich jetzt als »Connolly«.
    »Ich habe es an der Dienstnummer erkannt«, sagte Brandon.
    »Den Namen kann man nur schwer entziffern.«
    »Scheiße!« stieß Tony aus.
    »Damien Connolly muß ihn wegen irgendeines Verstoßes gegen die Verkehrsregeln angehalten haben, oder McConnell ist in eine Routinekontrolle geraten und hatte seine Papiere nicht dabei«, erklärte

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