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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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woanders, zog es durch ihren Verstand.
    »Miss Blumfeld!«
    Erschrocken wirbelte Marie herum. Oh nein, der nicht auch noch!, schoss es ihr durch den Kopf, als sie in das Gesicht von George Woodbury blickte. Sie hätte sich denken können, dass er hier sein würde. Die reichen Leute von außerhalb der Stadt durften doch bei solch einem Anlass nicht fehlen.
    »Mr Woodbury«, entgegnete sie steif, brachte es aber nicht über sich zu behaupten, dass es ein Vergnügen sei, ihn wiederzusehen.
    »Sie sehen wirklich reizend aus!« Während er ihre Hand nahm, funkelte George sie lüstern an. Offenbar hatte er ihre kleine Ansprache schon wieder vergessen. »Ich hoffe, Sie haben noch einen Tanz frei.«
    »Sicher«, entschlüpfte es ihr, bevor sie eine Ausflucht finden konnte. Glücklicherweise war der Tanz noch nicht eröffnet worden, und Marie hoffte, bis dahin einen Ort gefunden zu haben, an dem er sie nicht fand.
    Suchend blickte sie sich nach Jeremy um. Wo war er nur? Hatte man ihn unterwegs aufgehalten?
    Woodburys Blicke klebten unangenehm an ihr. »Kommen Sie, ich möchte Sie einem guten Freund vorstellen«, sagte er schließlich und bot ihr seinen Arm.
    »Aber ich warte hier auf meinen Verlobten, er wollte uns Erfrischungen holen.« Die Unsicherheit in ihrer Stimme ärgerte Marie. Und noch mehr ärgerte es sie, dass George genau das spürte.
    »Die Erfrischungen können sicher noch einen Moment warten, oder? Außerdem sind hier überall Kellner unterwegs, vielleicht erwischen wir einen.«
    Marie zögerte noch immer. Eigentlich war nichts dabei, dass sie Woodburys Freund kennenlernte, doch warum hatte sie dabei nur das Gefühl, dass tausend Krebse in ihren Magen zwickten?
    »Kommen Sie, mein Freund beißt ebenso wenig wie ich.« Woodbury machte nicht den Eindruck, als ließe er sich so leicht abschrecken.
    Widerwillig legte Marie ihre Hand auf seinen Arm. Vielleicht lässt er mich in Ruhe, wenn ich mit seinem Bekannten gesprochen habe, dachte sie verzweifelt.
    So stolz, als sei er selbst der Bräutigam, führte George Marie unter den staunenden Blicken der Gäste durch den Saal. Hin und wieder streifte sie ein Tuscheln, doch Marie zwang sich, keine Reaktion zu zeigen.
    Bei einem Männertrio, das in dunkle Gehröcke gekleidet war, machten sie halt. Sie alle hielten Champagnergläser in der Hand und unterbrachen ihre Unterhaltung sofort, als George sie regelrecht vor ihnen in Positur schob.
    Der Bärtige in der Mitte fiel Marie besonders ins Auge. Obwohl er ebenso wie seine beiden Gesprächspartner jenseits der fünfzig war, wie das Silber in seinem Haar bewies, hatte er noch die Statur eines jungen Mannes. Nachdem er Marie kurz gemustert hatte, lächelte er sie an.
    »Darf ich vorstellen?«, fragte George in die Runde. »Miss Marie Blumfeld. Marie, das sind Bürgermeister Corrigan, Stadtrat Mellows und Stadtrat Pauls, die drei wichtigsten Männer in dieser Stadt.«
    Auf einmal fühlte sie sich, als bestünde ihr Inneres aus einem riesigen Feldstein, der auf ihre Knie drückte. Corrigan! Selkirks Indianerfeind Nummer eins!
    Bisher hatte sie es umgangen, ihn kennenzulernen, aber was die Isbels von ihm erzählten, reichte, um ganze Bände zu füllen. James’ Mahnung nach dem Elterntag kam ihr wieder in den Sinn. Eigentlich hast du nichts zu befürchten, dachte sie, denn du hast dich an seine Weisung gehalten.
    Während Pauls und Mellows Mienen freundlich neutral blieben, als sie ihr die Hand küssten, entging Marie nicht, dass sich Corrigans Blick verfinsterte, bevor er sich ihrer Hand entgegenneigte.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen. Sie sind die neue Lehrerin, nicht wahr?«
    Marie nickte. Bleib ruhig, sagte sie sich. Egal, was er sagt oder tut, biete ihm keinen Grund, dich zu belehren.
    »Ja, die bin ich. Mr Isbel war so freundlich, mich einzustellen.«
    »Ja, Isbel ist ein wirklich angenehmer Mann. Ich weiß gar nicht, steht er auf der Gästeliste?« Fragend blickte er zu George, der die Schultern zuckte.
    »Das musst du die reizende Mrs Bellamy fragen.«
    Du weißt ganz genau, dass er nicht draufsteht, dachte Marie grimmig. Und ich bin auch nur hier, weil ich mit Jeremy verlobt bin.
    »Nun, vielleicht entdecken Sie ihn hier noch im Laufe des Abends. Auf jeden Fall freut es mich wirklich, Sie endlich einmal zu Gesicht zu bekommen. Ihre Arbeit nimmt Sie gewiss dermaßen ein, dass Sie keine Zeit finden, in die Town Hall zu kommen.«
    »So ist es«, entgegnete Marie unerschrocken. »Ich bin noch neu hier, und der Unterricht

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