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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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holen gibt.«
    »Aber damit geben sie die Jungen doch gerade erst dem Raub preis.«
    »Und glaub mir, sehr viele Jäger nutzen auch gerade das aus. Aber nach Enteneiern steht dir wohl nicht der Sinn, oder?«
    Nachdem sie die Pferde an einem Baum festgebunden hatten, begab sich Philipp auf die Suche nach Brennholz. Marie nutzte den Augenblick, um sich Hände und Gesicht zu waschen. Sie erschrak beinahe beim Anblick ihres eigenen Spiegelbilds. Nicht, dass sie mitgenommen ausgesehen hätte. Sie fand nur, dass sie sich vollkommen verändert hatte. In ihren Augen funkelte eine Entschlossenheit, die sie bisher noch nicht an sich erlebt hatte. Willensstark war sie schon immer gewesen, das hatte auch ihr Bruder gefunden, doch hier sah sie eine Frau, die bereit war, mit allen Mitteln für ihre Ziele zu kämpfen.
    »Sieh mal, was mir über den Weg gelaufen ist.«
    Marie drehte sich um. Philipp hielt einen Hasen an den Hinterbeinen in die Höhe.
    »Das arme Ding!«
    »Heute Abend wirst du das nicht mehr sagen.«
    Philipp legte den Hasen neben den Holzstapel, den er bereits aufgeschichtet hatte. »Aber jetzt solltest du dich ein wenig hinlegen.«
    »Und was ist mit dir?«
    »Ich werde den Hasen braten. Wenn du wach wirst, essen wir, und dann reiten wir weiter.«
    Philipp band den Schlafsack vom Sattel los und rollte ihn etwas abseits der Feuerstelle aus.
    »Das Bett ist gerichtet, Madame!«
    »Und was tust du in der Zwischenzeit?«
    »Ich werde ein wenig am Feuer sitzen und dem Hasen dabei zusehen, wie er bräunt. Und ich werde die Bären von dir fernhalten.«
    »Wir haben doch schon beim letzten Mal keine gesehen.«
    »Und dafür kannst du Gott danken. Die Begegnung mit diesen Burschen kann ziemlich unangenehm werden. Ich habe nur einen Revolver bei mir; wenn ich nicht genau ziele, fällt er entweder über uns oder unsere Pferde her.«
    »Warum hast du mir das nicht erzählt, als wir nach Selkirk geritten sind?«
    Philipp lächelte breit. »Weil ich ehrlich gesagt auch noch keinen Bären in dieser Gegend gesehen habe. Das heißt aber nicht, dass es keine gibt. Aber ich werde dich schon beschützen, keine Sorge.«
    Als sich Marie auf dem Schlafsack niederlegte, umgeben von duftendem Moos und Gras, lächelte sie vor sich hin. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so geborgen gefühlt. Mochten im Wald auch Bären und Wölfe hausen, sie vertraute Philipp, dass er sie beschützen konnte. Mehr noch, als es irgendjemand in der Stadt, hinter festen Mauern tun konnte.
    Nach einigen Stunden Ruhe und einem köstlichen Essen setzten sie ihren Ritt fort. Dank einiger Abkürzungen, die Philipp kannte, kamen sie wesentlich schneller voran, und dank der Dinge, die er ihr über die Pflanzen- und Tierwelt erzählte, gelang es ihr, die dumpfe Ahnung zu verdrängen, dass in Selkirk wahrscheinlich die Hölle los war.
    Auf einer Lichtung machten sie schließlich halt. Abendnebel schwebte in den Baumkronen, ein paar letzte Sonnenstrahlen fielen durch die dunklen Äste. Die bizarren Figuren, die das Unterholz formte, erinnerten Marie an das Märchen vom Dornröschen, wo die Prinzen sich in einem undurchdringlichen Dornengestrüpp verirrten.
    »Dieser Ort ist einer der heiligen Plätze der Cree. Oder jedenfalls war er das, bis sie ein Stück weiterziehen mussten.«
    Marie schloss die Augen und atmete den Duft nach Harz, Moos und Wiesenblumen ein. In den Baumkronen zwitscherten die Vögel, vor ihren Füßen raschelte es, und der Wind fegte durch das Laub.
    »Ein wunderbarer Ort«, murmelte sie mit Tränen in den Augen, als sie wieder an Onawah dachte. Hoffentlich erreichte ihr Telegramm rechtzeitig seinen Empfänger bei den Regierungsstellen.
    »Marie!« Philipps Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
    Marie schlug die Augen auf. Nur wenige Schritte von ihnen entfernt stand ein Wolf. Ein weißer Wolf! Maries Herz setzte einen Schlag aus.
    »Das ist das Tier, das ich gesehen habe, damals auf dem Wagen!«, flüsterte sie zurück.
    »Du hast einen weißen Wolf gesehen?«
    »Ja, einige Tage vor dem Überfall. Er erschien mir eines Abends.« Dass Onawah glaubte, dieses Tier sei ein Bote aus dem Totenreich, erzählte sie ihm nicht.
    »Wölfe haben große Reviere.«
    »Du meinst, das ist derselbe Wolf?«
    »Es gibt nicht viele weiße Wölfe. Die meisten von ihnen sind sehr alt, aber dieser erscheint mir noch recht jung.«
    Maries Erinnerung an das Tier schärfte sich nun wieder. Ja, es musste ein und derselbe Wolf sein. Ihr Wolf, ihr Krafttier!
    Als der Wolf

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