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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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den Kopf hob, meinte sie zu versteinern. Die Augen des Tieres funkelten sie an, dann setzte sich der Wolf auf seine Hinterläufe und hechelte wie ein Hund.
    »Offenbar mag sie uns.«
    »Sie?«
    »Es ist eine Wölfin.«
    »Wo hast du das gesehen?«
    Philipp schmunzelte. »Ich habe Erfahrung damit. Dieses Tier ist eindeutig eine Wölfin, da brauche ich nicht mal ihre Kehrseite zu sehen.«
    Ein Schauer überlief Marie, als sie wieder die Stimme der Heilerin in ihrem Inneren hörte. Ausgerechnet an diesem ehemals heiligen Ort traf sie wieder auf die Wölfin, die sie um ein Haar vergessen hätte. Wenn das kein Zeichen war …
    »Onawah meinte, dass sie eine Art Schutzengel sei.«
    »Und jetzt hat sie dich gefunden.«
    »Wenn der Glaube der Cree stimmt, warum ist sie nicht in der Stadt aufgetaucht?«
    Nein, das stimmte nicht ganz, sie war bei ihr gewesen. Marie fiel nun wieder der Traum von der Wolfsfrau ein. Diesen hatte sie damals nicht mit dem Wolf in Verbindung gebracht, doch nun, da Philipp behauptete, dass sie eine Wölfin sei, wurde ihr einiges klar.
    »Und was machen wir nun?« Es wunderte Marie, dass die Wölfin einfach so sitzen blieb. War sie nicht auf Beute aus?
    »Wir könnten so weitermachen wie bisher«, schlug Philipp vor. »Ich glaube nicht, dass sie eine Gefahr für uns darstellt.«
    »Aber sie ist doch sicher nicht ohne Grund hier.«
    »Bestimmt nicht. Vielleicht will sie einfach die Ruhe an diesem Ort genießen.«
    »Oder sie ist doch ein Götterbote.«
    »Möglicherweise.«
    Auf einmal bemerkte Marie, wie nahe sie Philipp war. Sein Duft ließ ihre Magengrube kribbeln und ihre Hände ein wenig zittern. Alles in ihr sehnte sich danach, wieder von ihm geküsst zu werden. Und nach anderen Dingen, die sie sich bisher nur insgeheim ausgemalt hatte.
    Gaben ihr Onawahs Götter den Hinweis, endlich ihren Gefühlen nachzugeben?
    Auf einmal erhob sich das Tier wieder. Als hätte es etwas hinter ihnen gesehen, stürmte es plötzlich los. Philipps Hand schnellte an seinen Revolver, doch da rannte das Tier auch schon vorbei. Marie schmiegte sich erschrocken an Philipp.
    »Was hat sie?«
    Einen Atemzug später knurrte die Wölfin zornig. Noch im Herumwirbeln erkannte Marie, dass sie sich einem riesigen schwarzpelzigen Wesen entgegenwarf. Auch das Brüllen des Bären ließ sie nicht zurückschrecken.
    Philipp löste sich ruckartig von Marie und zog dann seinen Revolver.
    »Was für ein Prachtbär!«
    Er legte an, zielte kurz und drückte ab. Der Bär, der gerade eine seiner Pranken gehoben hatte, um nach der Wölfin zu schlagen, zuckte zusammen und brüllte erneut wütend auf. Dann ließ er sich wieder auf alle viere fallen und machte kehrt. Damit konnte er Philipps Munition entkommen, aber nicht der Wölfin, die ihm nachsetzte, bis beide zwischen den Bäumen verschwanden.
    Nach einem kurzen Augenblick der Starre ging Marie zu dem Platz, an dem der Bär aufgetaucht war. Blut klebte am Gras. Eine Welle der Besorgnis durchfuhr Marie, doch als sie den kurzen Kampf rekapitulierte, wurde ihr klar, dass der Bär die Wölfin nicht getroffen hatte.
    »Ich glaube, du hast den Bären erwischt.«
    »Das hoffe ich.« Als Philipp bei ihr angekommen war, hockte er sich hin und wischte ein wenig Blut von den Grashalmen. »Der Bursche war wahnsinnig leise. Wir müssen unserer weißen Freundin danken, wenn wir sie das nächste Mal sehen.«
    »Hoffentlich ist ihr nichts passiert.« Marie spähte durch die Baumstämme, doch da war alles dunkel.
    »Keine Sorge, Wölfe sind äußerst wehrhaft und schneller als Bären. Wahrscheinlich hat sie ihn einen Baum hinaufgejagt.«
    »Oder er hat sie zerfleischt.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Warum hat sie den Bären angegriffen? Das kann sie doch nicht nur für uns getan haben?«
    Philipp schüttelte den Kopf. »Mein gesunder Menschenverstand sagt Nein, wahrscheinlich hat sie irgendwo Junge, oder sie hat ganz einfach ihr Revier bedroht gesehen. Aber Onawah würde das anders sehen. Du solltest mit ihr darüber reden.«
    »Das werde ich.« Marie wandte den Blick von dem Bärenblut ab und folgte Philipp zu den Pferden.
    Da sie nicht auf dem heiligen Grund ihr Nachtlager aufschlagen wollten, ritten sie noch etwas weiter, bis die Fluten des Red River vor ihnen auftauchten. Wie ein kupfernes Band schlängelte sich der Fluss durch die sonnenverbrannte Prärie. Die milde Abendbrise trieb einen leicht fischigen Geruch zu ihnen herüber. Schillernde Libellen tanzten über dem Schilf.
    »Und du bist sicher,

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