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Das Lied des Achill

Das Lied des Achill

Titel: Das Lied des Achill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeline Miller
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wenig und aß noch weniger. Der Kummer fesselte mich ans Bett. Was mich schließlich doch wieder aufrichtete, war allein meine Erinnerung an Cheiron. Gib das, was dir lieb ist, nicht so einfach auf .
    Ich ging zu Peleus und kniete auf einem purpurnen Webteppich vor ihm nieder. Er wollte etwas sagen, doch ich kam ihm zuvor, legte ihm eine Hand aufs Knie und ergriff mit der anderen sein Kinn zum Zeichen flehentlicher Bitte. Ich hatte diese Geste schon oft beobachtet, selbst aber noch nie zum Ausdruck gebracht. Ich stand unter seinem Schutz, und er war nach göttlichem Gesetz verpflichtet, mich gnädig zu behandeln.
    »Wo ist er?«, fragte ich.
    Er rührte sich nicht. Ich hatte nicht geahnt, wie intim ein solch demütiges Bittgesuch war und wie nahe wir uns dabei sein würden. Ich lag mit meiner Wange an seiner Brust und hörte sein Herz schlagen. Die Haut seiner Beine war weich und altersdünn.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er. Seine Stimme hallte durch die Kammer und ließ die Wachen aufmerken. Ich spürte ihre argwöhnischen Blicke im Rücken. Den König suchten nur selten Bittsteller auf, denn er war ein so gütiger Herrscher, dass von seinen Untertanen kaum jemand zu einem so verzweifelten Schritt gezwungen war.
    Ich zog an seinem Kinn, so dass er mir ins Gesicht schauen musste. Er ließ es sich gefallen.
    »Ich glaube dir nicht«, sagte ich.
    Es blieb eine Weile still.
    »Lasst uns allein«, sagte er. Die Worte waren an die Wachen gerichtet. Sie gehorchten nach kurzem Zögern und gingen.
    Er beugte sich an mein Ohr.
    »Skyros«, flüsterte er.
    Ein Ort, eine Insel. Achill.
    Als ich aufstand, schmerzten mir die Knie, als hätte ich sehr lange vor ihm gekniet, was vielleicht auch der Fall war. Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich in der Königshalle von Phthia zugebracht hatte. Wir standen nun auf Augenhöhe einander gegenüber, doch er wich meinem Blick aus. Er hatte mir geantwortet, weil er ein frommer Mann war und die Götter verlangten, dass er mir als demütigem Bittsteller meinen Wunsch erfüllte. Sonst hätte er es wahrscheinlich nicht getan. In der Luft zwischen uns hing eine dumpfe Schwere, so etwas wie Gram.
    »Ich brauche Geld«, sagte ich, ohne zu wissen, woher diese Worte kamen. So hatte ich noch nie gesprochen, niemandem gegenüber. Es war wohl der Mut der Verzweiflung, der mich so kühn werden ließ. Ich hatte nichts zu verlieren.
    »Sprich mit Phoinix. Er wird dir welches geben.«
    Ich deutete nur ein Kopfnicken an, dabei wäre es wohl angemessener gewesen, wenn ich ihm auf Knien gedankt und meine Stirn auf den kostbaren Teppich gedrückt hätte. Peleus starrte durchs geöffnete Fenster nach draußen. Das Meer lag hinter einem Flügel des Palasts verborgen, doch wir konnten es beide hören, das ferne Schlürfen von Wasser auf Sand.
    »Du kannst jetzt gehen«, sagte er. Es schien, als wollte er Missmut zum Ausdruck bringen, jedoch klang er einfach nur müde.
    Ich nickte wieder und ging.
    Phoinix gab mir so viel Gold, dass ich damit zweimal nach Skyros und zurück hätte reisen können. Der Schiffsführer staunte nicht schlecht, als ich ihn bezahlte. Er wog das Gold in der Hand und schien sich bereits auszumalen, was er dafür alles würde kaufen können.
    »Nimmst du mich mit?«
    Mein Drängen machte ihn skeptisch. Wer es so eilig hatte davonzukommen, war verdächtig als jemand, der womöglich einer Bestrafung zu entgehen versuchte. Aber das Gold bewog ihn schließlich, zuzustimmen. Er knurrte ungehalten und ließ mich an Bord.
    Es war meine erste Reise auf hoher See. Ich wunderte mich, wie langsam sie vonstattenging. Das schwerfällige Handelsschiff segelte von einer Insel zur anderen und brachte den isolierten Königreichen Vliese, Öl und Möbel vom Festland. Allabendlich steuerten wir einen anderen Hafen an, um Waren zu löschen und unsere Trinkwasserbehälter aufzufüllen. Tagsüber stand ich an Deck des Vorschiffs, schaute auf die Bugwellen, die am geteerten Rumpf entlangglitten, und wartete darauf, dass am Horizont Land in Sicht kam. Unter anderen Umständen wäre ich von alldem begeistert gewesen: dem Schiff mit seinen Aufbauten und Segeln, der Farbe des Wassers und den frischen Winden. Doch davon nahm ich kaum etwas zur Kenntnis. Ich dachte nur an das kleine Eiland irgendwo da draußen und an den Freund, den ich darauf anzutreffen hoffte.

    Die Anlegestelle von Skyros lag auf der Südseite der Insel, in einer Bucht, die so klein war, dass ich sie erst als solche erkannte, als wir sie

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