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Das Lied des Achill

Das Lied des Achill

Titel: Das Lied des Achill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeline Miller
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wollte euch nur eine gute Nacht wünschen und mich versichern, dass alles zu eurer Zufriedenheit bestellt ist. Prinz Achill. Patroklos.« Er verbeugte sich und kehrte zu seinem eigenen Zelt zurück.
    Es blieb lange still zwischen Achill und mir. Ich hatte mich schon oft gefragt, wann es zu solchen Anspielungen wie der von Odysseus kommen würde. Er hatte recht: Es war nicht selten der Fall, dass junge Burschen einander liebten. Doch damit hatte es meist mit dem Älterwerden ein Ende, es sei denn, man nahm sich Sklaven oder bezahlte dafür. Unsere Männer waren auf Eroberung aus und schätzten den, der sich selbst erobern ließ, gering.
    Bring keine Schande über ihn , hatte die Göttin gesagt, und ich würde gut daran tun, sie beim Wort zu nehmen.
    »Vielleicht hat er recht«, sagte ich.
    Achill hob den Kopf und kniff die Brauen zusammen. »Das meinst du doch nicht wirklich, oder?«
    »Nicht, dass ich –« Ich verknotete meine Finger. »Wie auch immer, ich könnte draußen schlafen, damit es nicht so sehr auffällt, dass …«
    »Nein. Dem Volk von Phthia ist es einerlei. Und alle anderen können lästern, wie sie wollen, denn ich bin und bleibe der Aristos Achaion .« Der beste der Griechen.
    »Es könnte ein Schatten auf dich fallen.«
    »Na und?«, sagte er und reckte sein Kinn trotzig nach vorn. »Sie wären Dummköpfe, wenn sie mich zuerst rühmen und dann deswegen verhöhnen.«
    »Aber Odysseus –«
    Seine Augen, grün wie Frühlingslaub, richteten sich auf mein Gesicht. »Patroklos. Ich habe ihnen schon genug gegeben. Das lasse ich mir nicht nehmen.«
    Danach gab es nichts mehr zu sagen.
    Am nächsten Tag – wir segelten vor südlichem Wind – fanden wir Odysseus im Vorschiff.
    »Prinz von Ithaka«, sagte Achill. Sein Tonfall war förmlich und ließ nichts von seinem jungenhaften Lächeln anklingen, das er noch am Vortag gezeigt hatte. »Ich würde gerne mehr über Agamemnon und die anderen Könige erfahren, damit ich weiß, welchen Männern ich mich anschließe, und auch über die Prinzessin, für die ich kämpfen soll.«
    »Sehr weise, Prinz Achill.« Falls Odysseus etwas von der Veränderung in Achills Auftreten bemerkt hatte, ließ er sie unkommentiert. Er führte uns zu einer Bank am Fuß des Mastes unter dem dickbäuchigen Segel. »Wo soll ich anfangen?« In Gedanken versunken massierte er seine Narbe am Bein. Bei Tageslicht fiel sie noch stärker ins Auge, haarlos und runzlig, wie sie war. »Da wäre zum einen Menelaos, der seine Gemahlin zurückhaben möchte. Nachdem sich Helena für ihn entschieden hatte – Patroklos kann dir mehr darüber erzählen –, wurde er zum König von Sparta ernannt. Man kennt ihn als einen guten Mann, furchtlos im Kampf und beliebt beim Volk. Viele Könige haben sich seiner Sache angeschlossen, wohlgemerkt nicht nur diejenigen, die durch den Eid an ihn gebunden sind.«
    »Als da wären?«, fragte Achill.
    Odysseus zählte sie an den Fingern seiner großen, kräftigen Hände ab. »Meriones, Idomeneus, Philoktetes und Ajax der Große wie auch Ajax der Kleine.« Einen der genannten Männer hatte ich in Tyndareos’ Halle gesehen, jenen Riesen mit dem mächtigen Schild. Die anderen waren mir unbekannt.
    »Und auch Nestor, der alte König von Pylos, wird mit uns ziehen.« Von ihm hatte ich schon gehört; er war in seiner Jugend mit Jason übers Meer gesegelt, um das Goldene Vlies zu finden. Als Greis würde er selbst wohl nicht mehr kämpfen, und doch nahm er offenbar am Feldzug teil, um seine Söhne zu begleiten und als Berater zu fungieren.
    Achill hörte gespannt zu. »Und wer steht auf der Seite der Trojaner?«
    »Allen voran natürlich Priamos, der König Trojas. Er soll nicht weniger als fünfzig Söhne haben, die allesamt mit einem Schwert in der Hand aufgewachsen sind.«
    »Fünfzig Söhne?«
    »Und fünfzig Töchter. Es heißt, er sei ein frommer Mann und ein Liebling der Götter. Jeder seiner Söhne hat einen großen Namen. Paris zum Beispiel, der die besondere Gunst Aphrodites genießt und wegen seiner Schönheit gerühmt wird. Selbst der jüngste, kaum zehn Jahre alt, soll ein verwegener Kämpfer sein. Troilos heißt er, wenn ich mich nicht irre. Außerdem kämpft Äneas an ihrer Seite; er ist ihr Vetter und der Sohn von Aphrodite, also ein Halbgott.«
    »Und was ist mit Hektor?« Achill ließ Odysseus nicht aus den Augen.
    »Priamos’ ältester Sohn und Erbe, ein Liebling des Gottes Apoll und Trojas mächtigster Verteidiger.«
    »Wie sieht er aus?«
    Odysseus

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