Das Lied des Achill
in Musik und Medizin unterrichtet und wusste aus bitterer Erfahrung, dass seine Schüler später in den Krieg geschickt wurden.
Dieser wunderschöne Speer war jedoch nicht aus Bitterkeit entstanden, sondern aus Liebe. Keine andere Hand als die von Achill konnte ihn führen, und wenn auch die Spitze tödlich scharf war, glitt der Schaft unter unseren Fingern hinweg wie der schlanke, geölte Holm einer Leier.
Der Tag der Abreise stand unmittelbar bevor. Unser Schiff war eine Schönheit, prächtiger noch als das von Odysseus, schlank und schnittig wie ein Messer. Es lag schwer beladen tief im Wasser.
Und das war nur das Flaggschiff. Zur Flotte zählten nicht weniger als neunundvierzig weitere Boote, die wie eine schwimmende Stadt aus Holz im Hafen von Phthia lagen. Die Bugspriete waren ein Bestiarium aus Tieren und Nymphen und Zwitterwesen, die Masten so hoch wie die Bäume, aus denen man sie gefertigt hatte. Im Vorschiff eines jeden dieser Boote stand ein frisch bestallter Kapitän und salutierte, als wir die Rampe zu unserem Segler bestiegen.
Achill ging voran. Sein purpurner Mantel flatterte im Wind. Ihm folgten Phoinix und ich, der den Alten stützte. Das Volk jubelte uns zu, und unsere Soldaten nahmen auf den Decks ihrer Boote Aufstellung. Viele gute Wünsche wurden uns zugerufen, Ruhm und reiche Beute aus Priamos’ Schatzkammern in Aussicht gestellt.
Peleus stand am Ufer und winkte zum Abschied. Achill hatte ihm nichts von der Prophezeiung gesagt, ihn nur in die Arme genommen und fest an sich gedrückt. Auch ich hatte ihn umarmt und seine ausgezehrten, schwachen Glieder dabei gespürt. So, dachte ich, würde sich Achill im Alter anfühlen, doch dann erinnerte ich mich wieder: Er wird nie alt sein.
Die frisch kalfaterten Planken klebten noch. Wir lehnten uns über die Reling, pressten unsere Bäuche an den von der Sonne gewärmten Handlauf und winkten ein letztes Mal. Anker wurden gelichtet, Segel gehisst. Die Seeleute setzten sich an die Ruder, die wie Augenwimpern aus den Bootsrümpfen ragten. Trommeln fingen zu schlagen an, worauf sich die Ruder in Bewegung setzten, um uns nach Troja zu bringen.
Siebzehntes Kapitel
Z uerst ging es nach Aulis, jene wie ein Finger ins Meer hinausgestreckte Landzunge, an der sich, wie es Agamemnon wollte, die gesamten Streitkräfte versammeln sollten, vielleicht zum machtvollen Zeichen der Entschlossenheit des erzürnten Griechenlands.
Nach fünftägiger Reise durch das raue Gewässer vor der Küste Euböas tauchte das Zwischenziel vor uns auf, so plötzlich, als hätte sich ein Vorhang geöffnet. Unzählige Schiffe in allen Größen, Farben und Formen lagen vor Anker, Tausende und Abertausende von Männern bevölkerten den Strand. Die Zeltstadt im Hintergrund erstreckte sich bis zum Horizont. Über den Pavillons der Könige wehten bunte Fahnen. Unsere Männer legten sich in die Riemen und steuerten auf jene letzte Stelle am überfüllten Ufer zu, die gerade groß genug war für unsere fünfzig Boote.
Hörner erschallten, als sie vor Anker gegangen waren. Die Myrmidonen wateten durchs Wasser zum Strand, zweitausendfünfhundert Männer in weißen, fliegenden Gewändern, die auf ein Zeichen hin wie aus einer Kehle den Namen des Prinzen riefen. Achill! Alle, die schon dort waren, Männer aus Sparta, Argos und Mykene, reckten die Köpfe. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Achill ist gekommen .
Als unsere Männer die Lauframpe senkten, sahen wir sie kommen: Fürsten und deren Waffenträger. Ich konnte die einzelnen Gesichter nicht erkennen, wohl aber ihre Banner: das gelbe von Odysseus, das blaue von Diomedes und schließlich das hellste und größte, auf dem ein purpurroter Löwe abgebildet war, das Symbol von Agamemnon und Mykene.
Achill warf mir einen Blick zu und holte tief Luft. Die Verabschiedung in Phthia war nichts im Vergleich zu diesem Empfang. Ich sah, wie er seine Schultern straffte. Seine grünen Augen blitzten. Er bestieg die Lauframpe und blieb auf der höchsten Stufe stehen. Die Myrmidonen verstummten. Mitstreiter aus anderen Verbänden hatten sich zu ihnen gesellt. Ein breitschultriger Schiffsführer legte die Hände zu einem Trichter vor den Mund und rief: »Prinz Achill, Sohn des Königs Peleus und der Göttin Thetis. Aristos Achaion!«
Wie zur Antwort riss die Wolkendecke auf. Gleißende Sonnenstrahlen fielen auf Achill und verwandelten seine hellen Haare in goldenes Feuer. Er wirkte mit einem Mal größer und stattlicher. Sein Gewand,
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