Das Lied des Achill
Fassung bewahrte.
»In der Tat, ich habe das beste Heer der Welt und heiße dich, junger Prinz von Phthia, willkommen.« Ein verschlagenes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. »Bedauerlich nur, dass du so lange hast auf dich warten lassen.«
Achill verstand die Anspielung, hatte aber keine Gelegenheit zu einer Entgegnung, denn Agamemnon redete weiter und übertönte alles. »Männer von Griechenland, wir haben schon viel zu viel Zeit verstreichen lassen. Morgen werden wir aufbrechen und gen Troja segeln. Sucht jetzt eure Lager auf und macht euch bereit.« Er wandte sich ab und ging zum Strand.
Ihm folgten seine engsten Vertrauten – Odysseus, Diomedes, Nestor, Menelaos und weitere. Sie zogen sich auf ihre Schiffe zurück, während andere Heeresführer verweilten, um den neuen Helden zu begrüßen, allen voran der Thessaler Eurypylos, Antilochos von Pylos und Meriones von Kreta sowie Podaleirios, der Arzt. Darüber hinaus Männer, die, gelockt vom winkenden Ruhm oder gebunden durch ihren Eid, aus allen Teilen Griechenlands zusammengekommen waren. Viele lagerten hier schon seit Monaten und waren es leid zu warten. Schmunzelnd gab mancher zu verstehen, dass nach all der Langeweile Achill mit seinem Auftritt für eine willkommene Abwechslung gesorgt habe, zumal sie auf Kosten gegangen sei von –.
»Prinz Achill«, unterbrach Phoinix. »Ich hoffe, ich störe nicht. Aber es wird dich gewiss interessieren, dass du jetzt dein Lager beziehen kannst.« In seiner Stimme schwang Missfallen mit.
»Danke, mein guter Phoinix«, entgegnete Achill. »Wenn ihr uns bitte entschuldigt –.«
Ja, ja, natürlich entschuldigten sie ihn. Es werde schließlich noch weitere Gelegenheit geben, miteinander zu plaudern. Und sie versprachen, beim nächsten Treffen ihre besten Weine auszuschenken. Achill schüttelte ihnen die Hände und versprach, sie bald wiederzusehen.
Die Myrmidonen schwirrten im Lager umher und schleppten Gepäckstücke und Proviant, Stangen und Leinwände. Aus dem Gedränge tauchte plötzlich ein Mann auf, der an seiner Tracht als Bote von Menelaos zu erkennen war. Sein Herr könne nicht persönlich erscheinen, bedauerte er, und habe ihn geschickt, um uns zu begrüßen. Achill und ich schauten einander an. Menelaos war offenbar ein kluger Diplomat. Wir hatten seinen Bruder verärgert, weshalb er nicht selbst zu uns gekommen war, und doch wollte er den besten aller Griechen willkommen heißen. »Ein Mann, der auf beiden Seiten steht«, flüsterte ich Achill zu.
»Einer, der es sich nicht leisten kann, mich zu verprellen, wenn er denn will, dass seine Frau zurückkehrt«, flüsterte er zur Antwort.
Ob er uns herumführen dürfe, fragte der Bote. Wir nahmen sein Angebot an.
Das Heerlager war ein großes Durcheinander und voller Bewegung. Überall flatterten Fahnen, zum Trocknen aufgehängte Wäsche und Zeltbahnen. Tausende von Männern wimmelten umher. Jene Truppen, die als erste eingetroffen waren, hatten sogar eine Agora samt Altar und provisorisch aufgebautem Podium eingerichtet. Und natürlich Latrinen – lange ausgehobene Gräben, aus denen ein schrecklicher Gestank aufstieg.
An allen Ecken und Enden beobachtete man uns. Ich hielt meinen Blick auf Achill gerichtet für den Fall, dass Thetis ihn wieder in göttliches Licht tauchte, seine Haare aufleuchten und seine Statur noch kräftiger erscheinen ließ. Aber dazu kam es nicht. Jedenfalls bemerkte ich es nicht. Ich sah nur seine natürliche Anmut, und auch die war auf ihre schlichtere Weise herrlich. Er winkte den Männern zu, die auf ihn starrten, lächelte und grüßte im Vorübergehen. Ich hörte die in Bärte und hinter vorgehaltenen schwieligen Händen geflüsterten Worte: Aristos Achaion . War er wirklich so wie von Odysseus und Diomedes beschrieben? Konnte man glauben, dass diese schlanke Gestalt den Trojanern trotzen würde? War es möglich, dass ein Siebzehnjähriger tatsächlich ihr größter Krieger war? Ich sah die Fragen auf ihren Gesichtern und auch die Antworten. Ja, nickten sie einander zu, ja.
Achtzehntes Kapitel
K euchend schreckte ich in dieser Nacht aus meinen Träumen auf. Ich war schweißgebadet und litt unter der drückenden Hitze im Zelt. Achill lag neben mir und schlief. Seine Haut war so feucht wie meine.
Ich verließ das Zelt in der Hoffnung auf eine kühle Brise vom Meer. Aber auch dort war die Luft schwer und schwül. Und es war sonderbar still. Nichts rührte sich, nirgends flatterte eine Zeltbahn oder klirrte
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