Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
sagte Marian verärgert.
»Ja, es könnte wer weiß wer gewesen sein, der den Wachen etwas vorgemacht hat. Wo haben die Friesen ihre Niederlassung?«
»Hinter Sankt Gereon. Aber besser, wir fragen den Adlerwirt, der kennt seine Leute. Hast du einen Verdacht, wer Yskalt da rausgeholt hat?«
»Jemand, der etwas von ihm wissen wollte. Mich macht es misstrauisch, dass Yskalt die Männer nicht kannte. Du weißt, ich habe zwei Tage an seinem Sterbebett gesessen und mit ihm geredet. Er hatte hohes Fieber, und oft war er nicht bei Sinnen. Aber in seinen klaren Augenblicken hat er mir Antwort gegeben.«
»Auch, dass Arndt van Doorne ihm den Auftrag gegeben hat, seinem Bruder Robert aufzulauern und ihn mit dem Hammer zu erschlagen?«
»Auch das hat er mir damals gesagt.«
»Und du uns nicht.«
»Nein, Marian. Ich musste das Leben meines Freundes schützen.«
»Ich weiß, John. Ich verstehe es.«
Sie gingen zum Rheinufer hinunter, und ohne sich besonders abzusprechen, traten sie in eine der Tavernen dort ein. Handelsknechte, Schiffer und Fischer saßen hier an den Tischen, deren abgenutztes Holz vom vielen Gebrauch fettig glänzte. Steingutbecher mit Met oder Bier, Apfelwein oder saurem Traubenwein wurden geleert, und der Wirt schob ihnen einen Korb mit Pasteten zu, als sie nach einem Mahl fragten.
»Gislindis hat mir geraten, ein Auge auf Merten zu haben. Aber der scheint unauffindbar zu sein.«
»Was ihn für dich verdächtig macht?«
»John, du warst dabei, als wir Arndts Mörder aufgesucht haben. Merten hat diesen Scholar, den Caspar von Mechelen, herausgefordert, hat ihn beschuldigt, unredliche Hahnenkämpfe zu veranstalten. Daher ist er auf ihn losgegangen. Und plötzlich hatte der Caspar ein Messer im Herzen. John, sein letztes Wort lautete: ›Verräter!‹«
»Ja, so lautete es. Ich habe auch eine Weile darüber nachgesonnen. Aber, Marian, damals gab es wichtigere Dinge, als dem nachzugehen. Die Schuld am Tod van Doornes war damit von vielen Unschuldigen genommen worden.«
»Wir hätten Merten eindringlicher befragen sollen.«
»Wir werden es nachholen.«
»Wenn wir ihn erwischen.«
Eine Frau in einem roten Gewand, das recht freizügig geschnürt war, setzte sich in ihrer Nähe nieder und zupfte an einer kleinen Harfe. Mit blecherner Stimme sang sie dazu ein derbes Trinklied, das einige der Gäste dazu brachte, mitzugrölen.
»Harfeliesje. Hoffentlich nicht die, für die Frieder eine Vorliebe entwickelt hat«, kommentierte Marian.
»Er ist jung und voller Begierden. Aber ich habe eine beginnende Vernunft an ihm entdeckt. Eher fürchte ich um Lucien. Oder auch Cedric.«
Marian zuckte mit den Schultern.
»Machen wir nicht alle unsere Erfahrungen …?«
John lachte.
»Schwälbchen und anderes williges Geflügel sind wichtig für die younglings. «
»Und für dich?«
»Die Frage eines Bruders?«
»Ja, nenn es so.«
»Ich habe den Ring meiner Großmutter mitgebracht. Er sollte schon lange an meiner Lady Hand stecken.«
»Gut. Und dann?«
»Das wird sie entscheiden, Marian. Und darum müssen wir sie so bald wie möglich finden.«
»Sie lebt.«
»Du spürst es?«
»Wir waren von Anbeginn zusammen. Und wir sind die Kinder unserer Eltern. Es wurde ein festes Band zwischen uns gewoben, John. Wir werden immer voneinander wissen.«
»Sag mir, wenn das Band reißen sollte.«
»Ja. Auch wenn du mich dann umbringst.«
John aß den Rest seiner Pastete auf. Umbringen würde er Marian nicht. Aber seine eigene Seele würde sterben. Und er womöglich mit ihr. Auch er hatte ein Band zu der Frau geknüpft, das ihn unwiederbringlich an sie fesselte. Es bestand aus Liebe, Sehnsucht und Achtung.
Die Pastete wollte nicht durch seinen engen Schlund gleiten, und er versuchte, sie mit dem Apfelwein hinunterzuspülen.
»Gesetzt, Marian, es war Merten, der Yskalt aus dem Kerker holte …«
»Wozu?«
»Um das Nämliche zu tun wie ich. Von ihm erfahren, wer ihn beauftragt hat, Robert zu erschlagen.«
»Und er erfuhr das Nämliche wie du – dass der eigene Bruder diesen Auftrag erteilt hatte. Welchen Nutzen hätte er davon gehabt?«
»Ein Wissen, mit dem er seinen Stiefvater unter Druck setzen konnte?«
Johns Erinnerungen an jenen Tag wurden von einem leisen Winseln und einem Kratzen an der Tür abgelenkt. Er erhob sich von den Knien und öffnete die Kammertür. Benefiz kam hereingeschlichen, und wenn je ein Hund elend aussah, dann der schwanzlose Spitz. Er setzte sich vor das Bett und jaunerte. John fuhr ihm
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