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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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die andere hörte ihr schon nicht mehr zu. Eulália schlüpfte in ihre feinsten Satinschühchen, strich ihren Rock glatt und eilte nach unten, ohne Lua noch eines Blickes zu würdigen.
    Die war allerdings kaum weniger gespannt, was der unerwartete Besuch zu bedeuten hatte. Sie folgte der Sinhazinha und stellte sich an die Tür zum Salon, die aus Schicklichkeitsgründen offen stand. Sie hatte die perfekte Sicht auf die beiden Turteltauben, die einander ganz keusch gegenübersaßen, der junge Senhor auf der Polsterbank, die Sinhazinha auf einem der »Fauteuils«, die Dona Ines von ihrer Frankreichreise mitgebracht hatte. Irgendjemand, wahrscheinlich Fernanda, hatte den beiden bereits eine Erfrischung gereicht, denn auf dem Intarsientischchen zwischen ihnen standen Gläser, eine Karaffe mit Limonade sowie Gebäck.
    »Ich wollte, dass du es als Erste erfährst«, begann Rui Alberto.
    Lua spitzte die Ohren.
    »Die Eltern der Glubschäugigen geben einen Maskenball, und …«
    Lua hatte bereits die Lust verloren, dem Gespräch weiter zu lauschen. Es war doch immer dasselbe: Die jungen Herrschaften sprachen nur über gesellige Anlässe, ihre Garderobe oder ihre neuesten Reitpferde. Wenn sie sich über ihre Artgenossen unterhielten, dann meist in sehr abfälligem Ton. So war die »Glubschäugige« eine gewisse Isabel, ein in der Tat glubschäugiges Mädchen, das jedoch als eine enge Freundin der Sinhazinha galt und mit dieser ihrerseits Stunden damit zubringen konnte, über andere »Freundinnen« herzuziehen.
    Ein plötzlicher Knall veranlasste Lua, an die Haustür zu gehen und durch die eingelassenen bunten Scheiben einen Blick nach draußen zu werfen. Zunächst wusste sie die Szene, die sich ihr darbot, nicht zu deuten. Sie sah einen Schwarzen, der im Gefolge des Senhor Rui Alberto gekommen sein musste, denn nach São Fidélio gehörte er gewiss nicht. Sie sah weiterhin ein scheuendes Pferd sowie ihren ältesten Stallknecht, der eine Reitpeitsche in der Hand hielt. Dann beobachtete sie, wie der fremde Sklave mit einem gezielten und unglaublich akrobatischen Tritt dem Stallknecht die Peitsche aus der Hand trat und sie blitzschnell an sich nahm. Oho! Das versprach spannend zu werden.
    Sie huschte leise aus dem Haus. Auch andere Sklaven waren auf die merkwürdigen Vorgänge im Hof aufmerksam geworden und scharten sich nun um ihren António und den Fremden.
    Je näher sie den beiden kam, desto genauer konnte sie die Züge des fremden Sklaven erkennen. Hatte sie von weitem nichts wahrgenommen als einen dunkelhäutigen, schlanken jungen Burschen, so sah sie nun, dass es sich bei diesem um einen Mann von unbeschreiblicher Schönheit handelte. Ihr blieb der Mund offen stehen, so sehr war sie von dem Anblick dieses schwarzen Gottes fasziniert! Er war von kräftiger, aber anmutiger Gestalt. Seine Züge zeugten von Intelligenz, Stolz und Entschlossenheit. Seine Haut war tiefschwarz und glänzte wie Seide. Sein Haar war so kurz geschoren, dass er beinahe kahl wirkte, doch dies entstellte ihn nicht etwa, sondern verlieh ihm eine sonderbar erregende Aura von Strenge und Unnahbarkeit. Er wirkte keineswegs wie ein Feldsklave, obwohl ihn seine Kleidung als solchen auswies. Er trug nämlich nichts außer einer einfachen Leinenhose, die von einer Kordel gehalten wurde. Sein entblößter Oberkörper war unbehaart, so dass die Muskeln unter seiner Haut ein herrliches Relief bildeten. Herrje, er sah aus wie ein König!
    »Wer ist das?«, fragte die dicke Maria flüsternd.
    »Ich weiß nicht«, hauchte Lua hingerissen, ohne den Blick von diesem Bild von einem Mann abzuwenden.
    »Er sieht umwerfend aus, findest du nicht auch?«, störte Maria Luas Anbetung weiter.
    »Hm.«
    »Scht!«, fuhr sie da eine ältere Feldsklavin an. »Still, ihr beiden! Ich will nichts von diesem Spektakel verpassen.«
    Sie gehorchten, was allein Bände darüber sprach, wie gebannt sie selbst dem Geschehen folgten. Unter anderen Umständen hätten sie sich von einer Feldsklavin überhaupt nichts sagen lassen.
    Inzwischen umringten etwa zehn Sklaven den Stallknecht António und den Fremden, und allmählich sprach sich herum, was vorgefallen war. Der Fremde hatte den Auftrag erhalten, auf das Pferd seines Herrn achtzugeben. Doch im Stall war er, wie’s schien, nicht mit den Methoden Antónios einverstanden gewesen, der das Pferd offenbar allzu nachlässig trockengerieben hatte. Daraufhin hatte der Fremde die Arbeit wohl lieber selbst erledigen wollen und dadurch Antónios

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