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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Filomena und Dom Afonso schienen mir doch immer recht freundliche Leute zu sein. Und der frischgebackene Ehemann – Ihr liebt ihn doch, oder nicht?«
    »Und was habe ich davon, wenn er mich nicht zurückliebt?«, heulte Eulália auf.
    »Woher wollt Ihr das wissen? Bestimmt ist er nur ungeschickt darin, es Euch zu zeigen.« Lua konnte kaum glauben, dass sie hier am Strand stand und ihrer Herrin Trost zusprach, obwohl sie selbst es doch war, die des Trostes – und vor allem der Pflege – bedurft hätte. Sie war wochenlang mutterseelenallein durch den Wald geirrt, hatte sich zahlreiche Verletzungen zugezogen und war am Ende ihrer Kräfte. Sie hatte Hunger und Durst und brauchte dringend einen sicheren Ort der Zuflucht. Doch jetzt war nicht der rechte Zeitpunkt, Forderungen dieser Art zu stellen. Ein wenig länger würde sie schon noch durchhalten. Schließlich hing alles davon ab, dass Eulália sie wieder aufnahm und ihr verzieh.
    »Ach, Lua, das ist eine lange Geschichte. Und ich würde sie dir liebend gern erzählen. Aber nicht hier am Strand. Ich muss zurückkehren, sonst fällt meine Abwesenheit auf – und zwar allein. Ich bezweifle nämlich, dass sie dich dort auf Três Marias mit offenen Armen willkommen heißen.«
    »Und wohin soll ich gehen?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht nach São Fidélio?«
    »Dort hat man mich nach meiner ersten Flucht auf die Felder geschickt, und Dom Felipe …« In letzter Sekunde fiel Lua ein, dass es ja Eulálias Vater war, dessen üble Absichten sie um ein Haar geschildert hätte. Aber das kam überhaupt nicht in Frage. Sie konnte Eulália unmöglich die Illusion rauben, bei ihrem Vater handle es sich um einen integren, gütigen Senhor.
    »Ja? Was ist mit Dom Felipe?«
    »Also, Dom Felipe war sehr streng mit mir, wie ich finde.«
    »Du hattest es nicht besser verdient.«
    »Oh.« Lua spürte schon wieder die Tränen aufsteigen. Sie hatte gehofft, dass Eulália sich versöhnlicher zeigen würde.
    »Weine nicht, Lua, ich habe es nicht so gemeint. Wenn es nach mir ginge, kämst du einfach zu mir zurück, und wir würden wie in alten Zeiten gemeinsam mein Zimmer umräumen. Aber leider hat mein Wort nicht das geringste Gewicht, auf Três Marias noch weniger als zuvor auf São Fidélio. Im Augenblick fällt mir auch nichts Besseres ein, als dass du dich hier eine Weile versteckt hältst und ich dir Proviant bringe, wann immer es mir gelingt, mich aus diesem fürchterlichen Haushalt davonzustehlen. Dann wären die Vorwürfe, die sie mir dort andauernd machen, wenigstens einmal gerechtfertigt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nichts, Lua, ich erzähle es dir ein anderes Mal, in aller Ruhe. Ich muss jetzt gehen. Halte durch! Uns gelingt es schon noch, eine Lösung zu finden.«
    »Aber …«
    »Adieu, Lua. Auf bald.«
    Eulália ging davon, deutlich beschwingter als zuvor. Lua starrte ihr nach, bis sie nur noch als Punkt am Horizont auszumachen war.
    Sie fühlte sich einsamer denn je.

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    Teil 3
    34
    E s war, als seien alle Geräusche plötzlich verstummt, das Rauschen der Brandung genauso wie das Rascheln der Palmen. Eine sonderbare Taubheit bemächtigte sich Luas, als sie Eulálias Gestalt immer kleiner werden sah. Sie fühlte sich so hilflos und verlassen wie schon lange nicht mehr. Zum Greifen nah war ihre Rettung gewesen! Und dann … nichts. Sie war weiter auf sich allein gestellt. Sie heulte hemmungslos, bis ihre Tränen versiegt waren und sie kaum noch Luft bekam. Was sollte nur aus ihr werden? Immerhin: Die Sinhazinha schien ihr nicht allzu sehr zu zürnen, Lua hatte in ihren Augen gesehen, dass sie Mitleid und sogar Verständnis für sie aufbrachte. Das war besser als nichts. Vielleicht gelang es ihrer Herrin irgendwie, sie vor einer allzu drakonischen Strafe zu bewahren.
    Es war ein merkwürdiger Zufall gewesen, dass Eulália sich genau dann am Strand aufgehalten hatte, als Lua dort ankam. Sie schickte ein Gebet zum Himmel, dass es sich um ein gutes Omen gehandelt haben möge. Dann, nach der Zwiesprache mit dem lieben Gott, wandte sie sich irdischeren Dingen zu: Wo sollte sie sich verstecken? Welche Stelle eignete sich, um dort ein primitives Lager aufzuschlagen, das vor den Blicken der Fischer oder wem auch immer, der sich hier in der menschenleeren Einsamkeit herumtreiben mochte, sicher war? Wovon sollte sie leben, wenn Eulália nun nicht so bald wiederkäme?
    Zunächst, so beschloss Lua, würde sie ein Bad nehmen. Noch war Ebbe, und die kleinen Tümpel, die sich

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