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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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anderen Umständen bin.«
    »Aber Kasinda glaubt es zu wissen, oder? Sie hat in solchen Dingen immer recht.«
    »Natürlich. Die alte Kasinda weiß ja immer alles besser, genau wie du. Ha, du solltest dich hören! Ein altes Weib und ein Mann, was wisst ihr denn schon davon? Wenn du mir nicht einmal zutraust, dieses ureigene Wissen einer Frau zu besitzen, dann bist du wirklich noch hochmütiger, als ich dachte.«
    »Dein ureigenes Wissen?«, hakte er ungläubig nach.
    »Selbstverständlich.«
    »Findest du nicht, dass der Vater des Kindes auch ein Wörtchen mitzureden hat?«
    »Welchen Kindes?«
    »Herrje, Lua! Wir drehen uns im Kreis. Und ich verstehe gar nicht, warum du so ein Geheimnis darum machst. Willst du denn nicht Mutter werden? Würde es dich nicht freuen, wenn ich dich verwöhnen würde? Wenn wir gemeinsam deinen Bauch wachsen sähen und zusammen einen Namen für das Kind auswählen würden?«
    »Dir schwebt sicher etwas in der Art von ›Umba-Umba‹ oder ›Ngagadmebele‹ vor.«
    »Nicht schlecht«, schmunzelte er. »Und du hältst es sicher mehr mit ›José‹ und ›Maria‹?«
    »Natürlich. Unser Kind soll sich doch nicht als ›Bombom‹ durchs Leben schlagen müssen.«
    »Unser Kind? Also ist es wahr?«
    Lua zuckte mit den Achseln. Hatte Leugnen denn noch einen Sinn? »Ich glaube schon, ja.«
    Zé schloss sie fest in seine Arme und küsste ihre Stirn und ihren Scheitel. »Das ist wunderbar, Lua«, flüsterte er. »Du machst mich zum glücklichsten Mann auf der ganzen Welt!«
    Sie genoss die Umarmung. Es war schön, den Kopf an Zés starke Schulter zu schmiegen, die Wärme seines Körpers und die Weichheit seiner Haut zu spüren. Sie hatte bis zu diesem Augenblick gar nicht gewusst, wie sehr sie ihn vermisst hatte, wie sehr sie diese Zärtlichkeit brauchte. Sie hatte ebenfalls nicht geahnt, wie befreiend dieses Geständnis sein würde, das sie so lange vor sich hergeschoben hatte. Plötzlich verstand sie ihre eigenen Gründe für diesen Aufschub gar nicht mehr. Es war doch ganz einfach gewesen. Und seine Reaktion war liebevoller gewesen, als sie es verdient hatte. Ihre Erleichterung war so groß, dass sie beinahe geweint hätte. Endlich war sie nicht mehr allein mit einem Kind im Bauch und der Angst vor der Zukunft im Kopf. Sie hatte Zé. Gemeinsam würden sie ihrem ungewissen Los schon trotzen.
    Oder war das wieder nur eine Laune von ihr? Ließ sie sich von Zés Verständnis und seiner zärtlichen Fürsorge einlullen? Vergaß sie darüber, dass das eigentliche Problem noch lange nicht dadurch behoben war, dass sie einander umarmten? Zé bemerkte ihre Zweifel, die Signale der Skepsis, die sie kaum merklich ausgesandt haben musste. Doch anstatt darauf einzugehen, nahm er sie bei der Hand und sagte: »Komm, lass uns ins Meer gehen. Es ist Ebbe, und ich habe eine wunderschöne Stelle gefunden, an der wir ohne Gefahr baden können.«
    Lua ließ sich von ihm führen. Sie war froh, dass er diese erste zaghafte Annäherung zwischen ihnen nicht dadurch zerstört hatte, dass er weiter auf ihrem Problem herumritt. Sie schlenderten Hand in Hand über den Strand wie ein sorgloses junges Liebespaar.
    »Hier ist es«, sagte Zé mit belegter Stimme. Er hatte nur ein Tuch um die Hüften gewickelt, das er nun fallen ließ.
    Lua musste sich sehr zusammenreißen, um ihren Blick nicht gar zu lange auf seinem Körper und insbesondere auf seinem Unterleib ruhen zu lassen. Wie schön er war! Sie blickte Zé in die Augen und nahm darin ein spöttisches Funkeln wahr. Sie fühlte sich ertappt.
    Sie löste den Knoten, der ihr Tuch oberhalb der Brust zusammenhielt, und ließ es ebenfalls in den Sand fallen. Es war merkwürdig, im vollen Bewusstsein dessen, was man tat, nackt vor einem anderen Menschen zu stehen. Sicher, Zé mochte ihren Körper kennen, und ja, als sie krank gewesen war, hatte sie derartige Schamgefühle nicht gehabt. Trotzdem fühlte sie sich … nun ja, nackt eben. Es war ihr peinlich. Dass Zé sie kaum eines Blickes würdigte, änderte daran nichts.
    Er nahm ihre Hand und zog sie im Laufschritt mit ins Wasser.
    »Aber die Felsen …«, wagte sie einzuwenden.
    Er lachte. »Deswegen ist diese Stelle ja so herrlich. Hier gibt es nur Sand. Wir können gefahrlos hineinlaufen. Komm!«
    Sie veranstalteten ein kindisches Theater, spritzten sich gegenseitig nass und lachten übertrieben laut, als müssten sie einander beweisen, dass sie ihre Nacktheit und die Intimität der Situation als das Natürlichste der Welt

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