Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
wenigstens Zé hier gewesen wäre! Er hätte die beiden Männer mit ein paar gezielten Hieben und Tritten in kürzester Zeit außer Gefecht gesetzt.
    Sie öffnete die Augen wieder. Zu ihrem größten Erstaunen standen die beiden immer noch da unten und redeten aufgeregt aufeinander ein. Ihr begann zu dämmern, dass sie sie tatsächlich nicht sahen. Die Tarnung war gut, das hatten Zé und sie gewissenhaft überprüft. Zudem war es schwierig, im schattigen Unterholz überhaupt etwas zu erkennen, wenn man in der prallen Sonne stand. Es war nur ein Zufall gewesen, ein verrückter Zufall! Lua war so erleichtert, dass sie beinahe laut »Halleluja« gerufen hätte.
    Nach ein paar Minuten, die ihr wie eine Ewigkeit erscheinen wollten, machten die zwei sich wieder auf den Rückweg. Sie betete für Zé, der inzwischen auf dem Weg hierher sein musste, dass er sie rechtzeitig sah und sich in Sicherheit bringen konnte. Tausend erschreckende Bilder schossen ihr durch den Kopf, was alles geschehen konnte. Was, wenn er ebenfalls durch den nassen Sand lief und sich durch seine Fußabdrücke verriet? Oder wenn er gerade inmitten der Felsen herumkraxelte, wo er gern nach Muscheln und Krebsen suchte und weithin sichtbar wäre? Wie gern hätte sie ihn gewarnt. Aber ihr blieb nichts anderes übrig, als in ihrem dunklen, stickigen Versteck auszuharren und das Beste zu hoffen.
    Die Sonne stand schon tief, als sie sich endlich aus der verhüllten Hütte herauswagte. Sie war halbtot vor Sorge um Zé. Eigentlich sah er immer zu, dass er vor Sonnenuntergang zurückkehrte, denn im Dunkeln war ein Marsch über den Strand nicht ganz ungefährlich. Es gab Felsen, die weiter als die anderen in den Sandstreifen hineinragten und die manchmal leicht von Sand bedeckt waren, so dass man, wenn man sie nicht sah, darüber stürzen konnte. Und selbst ein abgerissener Zehennagel war etwas, was sie sich in ihrer Lage nicht leisten konnten: Ohne Medikamente, Alkohol und sauberes Verbandszeug konnte selbst die kleinste Entzündung schlimmstenfalls tödlich verlaufen.
    Als er schließlich kam, fiel Lua weinend auf die Knie. »Tu das nie wieder, hörst du, Zé?«
    Er nahm sie in die Arme und murmelte tröstende Worte, wie man sie auch einem kleinen Kind sagen würde. Er wiegte sie hin und her, und nach einer Weile war es ihm gelungen, sie wieder zu beruhigen.
    »Ich wäre ja gern früher gekommen«, sagte er. »Aber mir kamen zwei Weiße entgegen, um genau zu sein, der junge …«
    »… Manuel sowie Senhor Rui Alberto«, beendete Lua seinen Satz. »Sie waren auch hier.«
    Zé zuckte vor Schreck zusammen, und diesmal war sie es, die ihn beruhigen konnte: »Keine Bange. Unser Netz hat mir das Leben gerettet. Leider habe ich aber in der Eile unser Essen ins Gebüsch werfen müssen.« Sie lächelte ihn an: »Sie werden heute mit kalter Küche vorliebnehmen müssen, Sinhô.«
    »Aber im Anschluss wirst du mir etwas Heißes servieren, nicht wahr?« Er ließ seinen Blick anzüglich über ihren Körper wandern, und Lua war sehr wohl bewusst, was ihm vorschwebte.
    »Wenn du meine Glut ein bisschen anfachst, sehe ich da keinerlei Schwierigkeiten.«
    Er zog sie an sich und küsste ihren Hals, was, wie er genau wusste, etwas war, was sie sehr erregte. Seine Hände glitten über ihren Busen, während sie sacht über die Ausbeulung an seiner Hose strich.
    Ein leises Knacken ließ sie erschrocken innehalten. Auch Zé hatte es gehört, und sofort spannte sich jeder Muskel seines Körpers an, zum Kampf bereit.
    »Ist gut, wenn Mann und Frau machen Liebe. Aber nicht jetzt«, sagte Kasinda und trat hinter einem Baumstamm hervor.
    Diesem Befehl wagten sie sich nicht zu widersetzen.

44
    I m Fiebertraum wähnte ich mich mit meinen Ahnen vereint – und mit meinen Nachkommen. Ich sah meine Mutter Nzinga, die ihrer gleichnamigen Enkelin Zöpfe flocht, und ich traf auf meinen Vater Mukua-nguzu, der gemeinsam mit seinem Schwiegersohn und seinem Enkel, die beide Uanhenga hießen, auf die Jagd nach einem angriffslustigen Löwen ging, den zuvor ein ungeschickter Jüngling bei einer Mutprobe verletzt hatte. Ich tätschelte meinem kleinen Liebling Chilala den Kopf, während ich ihn gleichzeitig als erwachsenen Mann eine Antilope häuten sah. Er hatte große Ähnlichkeit mit Muhongo, und beide waren Meister im Schlagen der Buschtrommel, die uns über alle wichtigen Nachrichten in der Umgebung auf dem Laufenden hielt. Ich hörte den beängstigenden Rhythmus der Trommeln, die uns aus dem

Weitere Kostenlose Bücher