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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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Stunde auf den Stufen zur Bibliothek.« Elliott geht weg. Mir gefällt nicht, wie er vorausgesetzt hat, dass ich ihm folgen werde. Wenn ich mit Will gehe, könnte das Elliott etwas mitteilen. Aber ich weiß, was Will tut. Elliotts Besuch bei dieser Person – die er nicht als seinen Freund betrachtet – ist viel geheimnisvoller.
    Ich muss mich nicht beeilen, um Elliott einzuholen. Er hat nur drei Schritte um die Ecke herum gemacht und ist dann stehen geblieben. Unser Weg ist durch einen Haufen Leichen blockiert, die noch nicht lange tot sind.

Sieben
    S eit dem Tag, an dem die erste Seuche angefangen hat, habe ich beinahe täglich Leichen gesehen. Aber noch nie so viele auf einmal. Sie sind zu einem wahren Berg aufgehäuft, sind ineinander verkeilt und verschlungen. Ich würge, wie Will es im Forschungstrakt getan hat, und kämpfe gegen die Übelkeit an. Der sorgfältig gepflegte Rasen, der einst so üppig und grün gewesen ist, ist vollkommen darunter verschwunden. Die meisten Toten sind in Leichentücher gehüllt, aber am Rand liegen einige, um die sich niemand gekümmert hat. Rote Tränen beflecken ihre Wangen. Eine dieser Toten hält einen Strauß aus welkenden Blumen in der Hand. Hatte sie diejenigen hierhergebracht, die sie geliebt hat, und ist dann selbst gestorben?
    Diese Seuche lässt einem nur wenig Zeit zum Trauern. Wenig Zeit, mit Schuldgefühlen und Einsamkeit zu leben. Die Leute sterben einfach zu schnell.
    Ich möchte mich vor dem Furchtbaren abschirmen, aber ich kann nicht aufhören hinzusehen. Pfützen umgeben die Leichen. Schon bald wird sich das Regenwasser mit dem Grundwasser vermengen, und die Seuche wird sich noch weiter ausbreiten. Der Wirt hatte recht – wer immer die Stadt von diesen Leichen befreien kann, ist ein Held. Es ist der erste Schritt auf dem Weg, die Stadt zu retten.
    »Geh zur Seite«, sagt Elliott, während er selbst näher an den Leichenberg tritt. Er überprüft nicht, ob ich gehorche, und das tue ich auch nicht. Er nimmt ein Glasfläschchen mit einer Flüssigkeit aus seiner Tasche und gießt etwas über das am nächsten liegende Opfer, zündet dann ein Streichholz an. Als er es fallen lässt, tritt er rasch einen Schritt zurück. Obwohl es vor Kurzem geregnet hat, fangen die Leichen sofort an zu brennen. Die Feuersbrunst ist sehr heiß, heißer als jedes andere Feuer, dass ich je erlebt habe, und der Gestank ist schrecklich. Elliotts Gesicht wird von den Flammen beleuchtet. Er scheint zu strahlen.
    »Wenn wir genug von diesem Gemisch mixen können und genug Männer finden, kann ich anfangen, einige der Straßen zu säubern.«
    Er gießt den Inhalt von zwei weiteren Glasfläschchen über den Leichenhaufen, zündet ein zweites Streichholz an, und schon bald brennen die meisten Leichen.
    Was er tut, ist auf eine eigene Weise schrecklich. Die Leichen zu verbrennen ist sicher besser, als sie hier einfach liegen zu lassen, es muss besser sein. Aber eine der Frauen, die hier gestorben ist, war blond, und als ihre Haare zu brennen anfangen, sehe ich immer nur Aprils Gesicht. Ich sinke auf die Knie, und Tränen strömen mir über die Wangen. Wir müssen einen Weg finden, sie zu retten. Ich will nicht, dass sie so endet.
    Elliott sagt nichts, und ich bin froh. Ich reiße mich zusammen und stehe auf. »Wohin als Nächstes?«, frage ich.
    »Da lang.«
    Wir gehen vorsichtig um die brennenden Leichen herum zu einer breiten Straße, die von hohen, beengten Gebäuden gesäumt ist, in denen Studenten gelebt haben. Etliche genau gleich aussehende Türen gehen auf einen gepflasterten Innenhof hinaus. Elliotts Blick schießt überallhin, er sucht in allen engen Gassen und düsteren Winkeln. Eine weise Vorsichtsmaßnahme, da Männer in dunklen Umhängen immer wieder dort aufzutauchen scheinen, wo wir gerade sind. Ich sehe über die Schulter, wie Elliott an eine Tür klopft.
    »Der Mann, der hier lebt, weiß eine ganze Menge über die Universität und über das, was hier passiert. Außerdem sammelt er Informationen aus jedem Teil der Stadt.«
    »Wenn Vater irgendwo gesehen worden ist …«
    »Er wird es wissen.«
    »Was soll ich tun?«, frage ich.
    »Zuhören. Dieser Mann … er hat nicht viel Grund, mich zu mögen.«
    Er klopft wieder an die Tür, diesmal kräftiger. Als wir von drinnen langsame Schritte hören, tritt Elliott von einem Fuß auf den anderen. Ein vollkommen unerwarteter Ausdruck tritt auf sein Gesicht. Er ist nervös.
    Die Tür geht auf, und einen Moment lang sehe ich meinen

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