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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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wurden, kaum dass wir wieder zurück sind. Aber Elliott schlägt mit der Faust auf einen Holztisch, so wütend, wie ich ihn noch nie erlebt habe.
    »Malcontents Männer brauchen nicht nahe genug heranzukommen, dass man mit ihnen kämpfen kann. Sie können sich einfach an unbewaffnete Leute heranmachen und sie anstecken.« Sein Gesicht ist rot. »Ich weiß, wie man gegen einen Tyrannen kämpft. Aber ich habe keine Ahnung, wie man gegen eine Seuche kämpft.«
    Ich suche nach den richtigen Worten. Mein Vater hat sein Leben lang gegen die Seuche gekämpft, aber natürlich hat er mehr über sie gewusst, als irgendwer geahnt hatte. Ausgenommen Prospero.
    Es ist voll in der Schenke, aber die Unterhaltungen sind gedämpft. Die Gäste wirken abgerissen und schmutzig. Will bahnt sich einen Weg durch die Menge und besorgt uns einen Tisch. Wir verstauen unser Gepäck darunter.
    Als der Wirt kommt, ist er überrascht, dass wir etwas zu essen haben wollen. »Die meisten Leute wollen nur etwas trinken«, sagt er. »Um zu vergessen.« Er teilt uns mit, was es als Tagesessen gibt, und endet mit dem freudlosen Satz: »Das wird was kosten.«
    »Das ist nicht das Problem.« Elliott legt ein Goldstück auf den Tisch. Der Wirt nimmt es und untersucht es; als er Elliotts Zeichen auf der Münze sieht, verändert sich sein Verhalten. Er eilt in die Küche und kommt mit einem Tablett zurück, bleibt dann bei Elliott stehen und beantwortet Fragen hinsichtlich der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Die Versorgungslage ist schlecht, aber Leute mit Geld hungern nicht. Die meisten Leute haben kein Geld.
    »In vielen Gebieten sind die Straßen unpassierbar«, fügt der Wirt hinzu. »Überall liegen Leichen.« Ich höre auf zu essen, aber er spricht weiter. »Niemand weiß, was mit den Leichensammlern passiert ist. Manche sagen, dass der Prinz sie nicht mehr bezahlt.« Er wirft Elliott rasch einen Blick zu, als ob der die Antwort vielleicht kennen könnte, aber Elliott zuckt nur mit den Schultern. »Ich persönlich glaube, dass sie alle selbst tot sind.« Er schaudert. »Es spielt keine Rolle, wer es macht – wer die Toten von den Straßen schaffen kann, dem gehört die Stadt.«
    »Und wenn die Straßen erst einmal von den Toten gesäubert sind, haben wir eine Möglichkeit, Nahrungsmittel in die Stadt zu bringen«, macht Elliott deutlich.
    »Genau«, strahlt der Wirt.
    »Araby, du musst essen«, sagt Will, der mir gegenübersitzt, leise. Seine Miene erinnert mich daran, wie meine Mutter mich immer beobachtet hat. Ich bin frei, während Mutter eine Gefangene ist. Ich habe viel zu essen, während andere Leute hungern. Die Schuld nimmt mir noch mehr die Lust zu essen.
    »Die Leute sind bereit für ein paar gute Nachrichten«, intoniert der Wirt, dann sieht er sich in der Schankstube um. Auch wenn es noch nicht einmal Mittag ist, trinken sehr viele Gäste, und die Atmosphäre ist düster, ganz und gar nicht lärmend wie sonst, wenn der Wein in Strömen fließt.
    »Ich hoffe, dass meine Rückkehr in die Stadt eine gute Nachricht ist«, sagt Elliott. »Ich habe Pläne.« Er senkt die Stimme, und Will nutzt diesen Moment, um mich erneut zu tadeln.
    »Araby«, sagt er im gleichen Tonfall, in dem er sonst mit Elise und Henry spricht. »Iss etwas Brot.« Er schiebt mir den Korb quer über den Tisch zu. Ich nehme ihn verärgert, und dabei reißt der Ärmel meines Kleides – laut genug, um Elliotts Aufmerksamkeit zu erregen.
    »Du brauchst etwas Neues«, sagt er. Der Wirt versteht den Wink und hastet davon.
    Es ist ermutigend, dass Elliott gleich in der ersten Schenke, die wir aufgesucht haben, Unterstützung gefunden hat. Vielleicht sind die Menschen immer noch fähig zu hoffen. Ich hoffe, dass ich den gleichen Erfolg bei meiner Suche nach Vater haben werde.
    Wenige Augenblicke später bringt die Frau des Wirts ein Kleid an unseren Tisch, das ich mir ansehen soll. Es ist übergroß, züchtig und hat ein aufdringliches Blumenmuster. Ich will schon nein sagen und dass ich so etwas niemals tragen würde, aber dann spricht der Wirt, der hinter seiner Frau steht.
    »Es hat meiner Tochter gehört. Sie ist jetzt seit zwei Jahren tot.«
    »Wird es gehen?«, fragt Elliott.
    Ich nehme das Kleid. Es ist sogar noch formloser, als ich erwartet hatte, und vom vielen Waschen verblasst. Es sieht aus wie ein Kleid, das für eine Zwölfjährige genäht worden ist. Eine große Zwölfjährige. Die Wirtsfrau hat Tränen in den Augen.
    »Hübsch«, sage ich und frage mich

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