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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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nicht breit genug, dass wir nebeneinander hergehen können. Der Boden hier besteht aus festgetretener Erde. Er ist nicht matschig, aber feucht. Als Malcontent die Tunnel geflutet hat, muss das Wasser auch durch diesen Teil geschwappt sein.
    »Ich kann vor dir hergehen, wenn du möchtest«, bietet Elliott mir an.
    Ich schüttle den Kopf. Ich bin es leid, ihm zu folgen. »Nein.«
    »Aber mach mir keine Vorwürfe, wenn du in ein Spinnennetz läufst«, murmelt er. »Hier, nimm die Kerze.« Die Dunkelheit jenseits meiner Kerze ist vollkommen.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass er es dir sagen würde«, sagt Elliott. »Was ich getan habe.«
    Das Entsetzen darüber überwältigt mich.
    »Er wollte dich bestrafen. Hast du ihn schon früher mal besucht?«
    »Nachdem ich den Palast verlassen hatte, habe ich ihn oft besucht. Ich habe dafür gesorgt, dass er genug zu essen hat. Er schien es nie zu schätzen zu wissen.«
    »Es ist schwer, ihm deshalb einen Vorwurf zu machen … deine Besuche haben ihn wahrscheinlich an das erinnert, was er verloren hat.« Wir gehen schweigend weiter. »Hast du bei allen Leuten nachgesehen, die du auf Befehl deines Onkels verletzt hast?« Es gefällt mir, dass er sich genug Gedanken gemacht hat, um so etwas zu tun.
    »Nur bei denjenigen, die noch am Leben sind.« Und damit scheint die Unterhaltung beendet zu sein. Wir gehen langsam weiter, tasten uns durch den Gang. Alle zwei Meter gibt es einen gewölbten Bereich, der aus Ziegelsteinen aufgemauert ist. Der Mörtel rieselt in kleinen Brocken auf uns herunter, während wir durch den Tunnel gehen.
    »Ich kann mich immer noch daran erinnern, wie meine Hände gezittert haben, als ich den Hammer gehalten habe. Ich war damals dreizehn Jahre alt.« Seine Stimme ist fest, seine Worte sind weder ein Bekenntnis noch Prahlerei. Sie benennen einfach nur eine Tatsache. Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Aber selbst mit dieser neuen Einsicht kann ich mir immer noch gut vorstellen, dass Will gesehen hat, wie Elliott einen Mann getötet und dabei gelächelt hat. »Mein Onkel tötet die Leute, die ihn ärgern, nicht immer. Manchmal tut er Schlimmeres.«
    »Hattest du Alpträume?«
    »Ja.« Er schweigt eine Weile. »Schließlich habe ich eine Möglichkeit gefunden, damit umzugehen.«
    Als ich Elliott das erste Mal begegnet bin, habe ich um Vergessen gebeten, und er hat seine Silberspritze herausgeholt. »In der Nacht im Debauchery Club hast du gesagt, dass du nur selten teilst …« Meine Stimme klingt leise.
    Er legt seine Hände um meine Taille, zieht mich zurück und wirbelt mich herum. »Ich weiß alles über den Wunsch und die Notwendigkeit zu vergessen«, sagt er. Seine Maske hängt um seinen Hals. Er lässt sein Bündel auf den Boden des Tunnels fallen.
    Wir sind uns sehr ähnlich, Elliott und ich. Er nimmt mir die Kerze in dem verbogenen Metallhalter ab und stellt sie auf einen groben Felsabsatz. Sie flackert und wirft schwache Schatten um uns herum.
    »Aber seit ich dir begegnet bin, habe ich es nicht mehr gebraucht«, erzählt er mir. Und dann zieht er mir die Maske vom Gesicht und küsst mich.
    Diesmal ist es kein sanfter Kuss. Er ist grob, und mein Kopf prallt gegen die Wand. Um uns herum fallen Steinsplitter zu Boden. Ich küsse ihn genauso hart zurück.
    Meine Haare bleiben am rauen Stein der Mauer hängen, als er mich hochhebt, und er drückt sich gegen mich. Ich schlinge meine Beine um ihn. Was von meinem Kleid noch übrig ist, bauscht sich um mich. Der Verband an meiner Schulter verrutscht, und die Wunde brennt, aber wir hören nicht auf. Meine Arme liegen um seinen Hals.
    Ich habe immer an den falschen Stellen nach Vergessen gesucht.
    Ich ziehe mich einen Moment zurück, und ich sehe, wie hübsch er in dem flackernden Kerzenlicht aussieht. Seine Augen sind nur leicht geöffnet, und ich möchte mir in diesem Moment alles von ihm einprägen.
    Elliott setzt mich wieder ab.
    »Es tut mir leid«, sagt er. Er hebt eine Hand, um sanft den Mörtel und den Schmutz aus meinen Haaren zu entfernen. »Wir sollten nicht so … das hier ist kein geeigneter Platz …« Ich kann meinen Blick nicht abwenden, fasziniert und verwirrt zugleich, als sein plötzliches Bedauern durch Wachsamkeit ersetzt wird. Seine Augen verengen sich. »Es ist lange her, dass ich auch nur für ein paar Augenblicke so wie eben die Kontrolle verloren habe.«
    Ich nehme wieder die Kerze und zupfe die Fetzen meines Kleides zurecht. Mein Herz rast, und doch fühle ich mich

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