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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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stellt die Kerze auf den Boden, und dann sind seine Hände auf mir. Er legt mir den weichen Stoff des Schals über die Augen.
    »Du willst mir die Augen verbinden?« Meine Wut kehrt zurück. Vertraut er mir so wenig?
    »Araby –«
    » Ich habe dir vertraut. Obwohl –« Ich räuspere mich. Ich will ihm seinen Verrat nicht ins Gesicht schleudern. »Ich spioniere nicht für Elliott.«
    »Ich weiß, dass du Geheimnisse bewahren kannst. Du hast viele bewahrt. Aber er kennt Mittel und Wege –«
    Ich erröte. Will gibt sich Mühe, nicht an meinen Haaren zu ziehen, als er mir die Augen verbindet. Er kann wahrscheinlich die Hitze spüren, die meine Wangen verströmen.
    »Ich meinte damit nicht –« So wie seine Stimme klingt, vermute ich, dass er ebenfalls errötet. »Ich habe an Folter gedacht«, sagt er schließlich. »Nicht an irgendetwas Ungehöriges.« Aber dann wird seine Stimme bitter. »Nicht dass ich irgendwie dabei mitzureden hätte, was dich und Elliott betrifft … die Art eurer Beziehung –«
    Ich wende mich ihm zu, obwohl ich ihn durch den Stoff hindurch nicht sehen kann. Ich stolpere über meine eigenen Füße, und Will stützt mich. »Du hast mich bereits vor Elliott gewarnt«, sage ich.
    »Das habe ich.«
    »Das ist wirklich alles, was du tun kannst.« Auch wenn ich mir sicher bin, dass meine Beziehung zu Elliott nicht das ist, wofür er sie hält, oder dass sie es sein wird, ist es an mir, das zu regeln.
    »Ich weiß«, sagt er. Und dann wechselt er das Thema. »Wir werden eine weitere Treppe hinuntergehen. Ich sage es dir, wenn wir sie erreichen.« Wir gehen zum Ende des Flurs und durch eine quietschende Tür zu einer Stelle, wo der Boden uneben ist.
    Die Stufen sind eine einzige Qual. Selbst mit Wills Führung muss ich mit den Füßen nach der jeweils nächsten tasten, und seine Nähe ist eine ständige Ablenkung. Schließlich kommen wir unten an. Und dann führt er mich über einen Boden, der unter meinen Füßen nachgibt … Holzplanken? Und durch einen weiteren Raum.
    »Bleib stehen«, sagt Will, und ich höre, wie er mit einem Schlüssel herumhantiert. Dann sagt er: »Komm in meinen Bau.« Etwas in seiner Stimme bringt mein Herz dazu, gefährlich schneller zu schlagen. Ich versuche, mein Unbehagen zu verbergen, indem ich mir Zeit lasse, den Schal von meinen Augen wegzuziehen und meine Haare zu glätten.
    Wir befinden uns in einem unterirdischen Zimmer, das von Gaslaternen erleuchtet wird. Die Druckerpresse nimmt den größten Teil des Raumes ein. Der Mechanismus sieht kompliziert aus; er besteht aus Holz und verfügt über eine Reihe von Knöpfen und Griffen sowie ein großes Rad, wo anscheinend das Papier durchgeschoben wird.
    »Wie hast du gelernt, damit umzugehen?«
    Er nimmt ein paar Bleibuchstaben und reiht sie so auf, dass sie meinen Namen ergeben. Dann stößt er sie mit der Handkante weg, als wäre es ihm peinlich. »Ich habe in einer der Bibliotheken ein paar Bücher gefunden und gelesen. Am Anfang habe ich nur Nachrichten gedruckt, die ich für die Kinder mit nach Hause genommen habe. Schließlich habe ich gelernt, kompliziertere Sachen zu drucken.«
    »Bist du oft hierhergekommen? Jede Nacht?«, frage ich.
    »Etwa einmal pro Woche.« Er macht sich an die Arbeit, betrachtet ein Blatt, auf dem Elliots schwungvolle Handschrift zu sehen ist.
    Holzkisten säumen die Wände, in denen sich vergilbte Zeitungen befinden.
    Ich gehe dorthin. »Woher hast du die?«
    »Kent und ich haben sie aus dem gleichen Keller geborgen, in dem wir auch die Druckerpresse gefunden haben«, sagt er. Er sieht nicht einmal von seiner Arbeit auf, während er mit geschickten Fingern Buchstaben arrangiert.
    Ich nehme eines der filigranen Blätter hoch, halte es sehr vorsichtig. Trotz der Gaslaternen ist es schwer, die Zeitungen zu lesen. Ich würde sie gern mit nach oben nehmen und tagelang durchgehen. Es ist wie ein Hauch Leben aus einer Zeit, als die Welt noch normal war. Vor der Seuche.
    Sie fühlen sich kostbar an.
    Ich blättere bis zu einer Gesellschaftsseite, auf der ein Mädchen in einem fantasievollen Hochzeitskleid mit einem Schleier zu sehen ist. April würde so etwas lieben, und angesichts der sich ausbreitenden Seuche könnte sie einen Schleier brauchen. Ich lege die Zeitung wieder weg.
    »Was druckst du?«, frage ich.
    »Warnungen von Elliott. Eine Liste mit Symptomen des Roten Todes.«
    »Wenn man die Symptome hat, ist es doch schon etwas zu spät, oder nicht?«
    »Ich stelle meine Aufträge nicht

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